Kanu & Natur

ein persönliches Blog von Jürgen Clausen

Peene - Neukalen bis Dahmen - Malchiner See

Geschrieben am 18.07.2004 in Kanureisen (2004) —   Dahmer-Kanal (Geändert am 05.07.2017)

Teil 8 von 24 in der Serie Meine Kanutour im Sommer 2004 in Mecklenburg-Vorpommern

Der Morgen ist ruhig, es weht wenig Wind und die Temperatur beträgt um 8:00 h etwa 19° C. Ich frühstücke, trage mein Boot und meine Ausrüstung über Stock und Stein wieder zum Peenekanal und lasse mich noch von der freundlichen Wirtin fotografieren, als ich um 9:00 h abfahre. Es ist schon recht warm, 22°, und der Wind hat aufgefrischt.

Trotz Seitenwind bin ich bald auf dem Kummerower See, unterwegs finde ich noch das Nest einer Beutelmeise in einer Weide und fotografiere es. Es ist ein sehr fein und fest gefilztes Kunstwerk aus Tierhaaren und sehr kleinen Zweigen, das etwa 60 cm über dem Wasser hängt. Ich frage mich, wer den kleinen Meisen denn sagt, wie sie das zu machen hätten und dass sie es auf diese Weise zu machen haben.

Auf dem See kommt der Wind richtig von vorne, eine klare Sache also und kein Geschiebe von der Seite. Es herrscht ziemlich hoher Wellengang bei 4 bft mit Böen bis 6. Ich nehme mein Doppelpaddel und akzeptiere gerne die sportliche Herausforderung, auch wenn ich dabei nass werde. Unterwegs an der Badestelle bei Salem wird ein Wasserball auf den See hinausgeweht, und ein schon etwas entkräfteter, schwimmender etwa 10jähriger Junge bitte mich, ihn einzufangen. Gerne berge ich den Ball, der Junge schwimmt ziemlich lahm aber erleichtert ans Ufer zurück.(Ans Boot ranhängen möchte er sich nicht.) Auch den Rest der 8,5 km langen Strecke fahre ich so schnell ich kann. Endlich kann ich meine Energie mal richtig einsetzen! So bin ich dann um 11:10 h am Ende des Sees angekommen und pausiere im Hafen des Malchiner Segelvereins am Beginn des Peenekanals.

Segelverein Malchin

Segelverein Malchin

Noch heißer ist es jetzt geworden, ich ziehe meine nasse Hose aus und fahre in kurzer Hose weiter, was mir einen sehr unangenehmen Sonnenbrand einbringt. Es ist jetzt 12:00 h. Der Kanal ist sehr schön, auch das Hinterland. In einiger Entfernung sieht man die schönen bewaldeten Hügel der Mecklenburgischen Schweiz, die sich immerhin über 123 m hoch erheben (bei Retzow z.B.) Ich sehe viele Eisvögel und zweimal kreuzt eine Ringelnatter meine Fahrt, einmal eine sehr sehr korpulente und lange. Langsam kriecht sie ins Schilf hinein, so dass ich sie noch längere Zeit beobachten kann. Überall gibt's die typischen Zeichen größeren Bibervorkommens: die Bibergleiten mit den Bibertrittsiegeln ihrer langen Zehen sowie angefressene Baumwurzeln, abgebissene Zweige und angenagte Baumstämme. Auch mehrere Raubwürger sehe ich, das sind Verwandte des Neuntöters, die sich von allem ernähren, was sie überwältigen können: Insekten und Kerbtiere jeder Größe, sogar Mäuse und Frösche!

Moorbauer

Moorbauer

Es geht langsam am Restaurant "Moorbauer" vorbei, das nur mit Boot zu erreichen ist: die Betreiber holen ihre Gäste mit einer winzigen "Fähre" von einem Anleger am nördlichen Ufer ab, sofern diese nicht mit eigenem Boot unterwegs sind. Hinter dem Moorbauer wird der Kanal etwas kahler, auf der östlichen Seite sind sämtliche Pappeln umgefallen. In ihrem Wurzelwerk (Baumscheiben) brüten viele Eisvögel, wie ich an der Größe der Löcher sowie den immer frischen Erdauswürfen erkennen kann. Ich sehe auch viele Eisvögel umherfliegen oder fischen.

Peenekanal vor Malchin

Peenekanal vor Malchin

Ich beabsichtige, bis nach Malchin zu fahren und dort auf dem WWR "Kösters Eck" zu übernachten sowie in der Stadt am nächsten Tag noch meine Vorräte aufzufrischen. Je näher ich der Stadt komme, desto öder wird der Kanal, je lauter wird es vom Land her (Verkehrslärm) sowie von den immer zahlreicher werdenden Motorbooten. Die Naturidylle ist vorbei, und die Hitze nimmt zu. Schatten gibt es nicht mehr. Die Luft über dem Wasser ist mit Abgasen der Motorboote angereichert, trotzt des Windes.

Der WWR selbst erweist sich als ein Platz ohne jeden Schatten, die Bäume sind noch sehr klein und auch nur in kleiner Zahl vorhanden. Schatten und Ruhe ist jedoch das, was ich am dringendsten benötige, und so paddle ich weiter, in der Hoffnung, jenseits von Malchin am Dahmer Kanal pausieren und nächtigen zu können. Bald spendet der Kanal hin und wieder Schatten, und auch die Motorboote werden seltener. Ein Stück hinter der Stadt und hinter der Ausfallstraße nach Teterow (B104) wird es wieder richtig schön, und bald finde ich einen Schattenplatz unter einem Erlengehölz, an dem ich wenigstens erst einmal pausieren kann. Ich esse und trinke ausgiebig und schlafe  mindestens eine Stunde . Dann schiebe ich mein Boot wieder in den Kanal und paddle weiter, immer Ausschau haltend, wo denn eine Schlafmöglichkeit für mich wäre. Doch ich befinde mich in wirklich wilder Natur, an den Ufern ist fast nur Sumpf und Bruch, was ich ja auch sehr gerne mag.

Dahmer Kanal

Dahmer Kanal

Viele Biberspuren sind rechts und links zu entdecken. Dann finde ich einen Platz, an dem das Gelände zum Zelten geeignet ist. Ich ziehe das Boot hoch und schaue mir alles genau an. Es tut gut, sich etwas die Beine zu vertreten. Da entdecke ich, dass hinter dem flachen Deich, der etwa 8 m vom Kanalufer verläuft, noch ein Gewässer ist, ein breiter Entwässerungsgraben, der total mit Tausendblatt (Entengrütze) bedeckt ist, die jedoch mittig aufgerissen wurden, und zwar erst vor kurzem. Weiter sehe ich, daß Schleifspuren zwischen Kanal und Graben vorhanden sind, und eine frische, mehrfach benutzte Kotstelle entdecke ich auch. Mir wird klar, dass hier Biber sehr aktiv sind, und zwar auch am Tag. Dann sehe ich noch rund um das daneben wachsende Eichengehölz, in etwa 5 m Entfernung, tiefe Schürfstellen im Erdreich. Sie sehen sehr frisch aus, und ich komme zu der Erkenntnis, dass ich hier in das Zuhause nicht nur von Bibern, sondern auch von Wildschweinen eingedrungen bin. Das will ich natürlich nicht, so paddle ich also weiter.

Fischsperre im Dahmer Kanal

Fischsperre im Dahmer Kanal

Vom Malchiner See bin ich etwa 2 - 3 km entfernt, und ich hoffe, dort am östlichen Ufer, das auf meiner Wasserwanderkarte als Wald ausgewiesen ist, leichter einen Rastplatz zu finden. Unterwegs, bei km 7.5 , finde ich das Bollwerk aus Holzdalben, das auf meinem Plan als "Fischerei-Sperre" eingezeichnet ist. Ein schmaler Durchlass ist tagsüber geöffnet, nachts (je nach Saison ändert sich die Uhrzeit) hängen hier Reusen, die kein Durchkommen erlauben. Umtragen wäre unter Umständen möglich. Ich bin aber noch früh genug, und so finde ich mich bald auf dem Malchiner See wieder.

Malchiner See

Malchiner See

Der See ist spiegelglatt, die Sonne brennt nicht mehr so, der Himmel ist noch klar. Sofort fühle ich mich sehr wohl, zumal das sehr klare Wasser auch noch diesen schönen Seegruch hat, den ich so gerne mag. Es ist ca. 18:00 h, und ich paddle einfach in Seemitte Richtung Südwesten, dem Ende das Sees entgegen. Ein Seeadler stürzt sich aus großer Höhe zur Wasseroberfläche und versucht, einen Fisch zu ergreifen. Ob es ihm gelingt, kann ich mit meinem Fernglas nicht genau erkennen. Wahrscheinlich jedoch nicht, denn der große Vogel fliegt noch eine große Schleife und verschwindet dann über dem Ort am nördlichen Ufer. Das war eine sehr nette Show für mich, freue ich mich, und alle Eindrücke zusammen geben mir die innere Leichtigkeit, noch eine Weile weiter paddeln zu können. Ich sehe noch 2 weitere Seeadler und später auch noch einen Fischadler. 

Inzwischen denke ich, den Zeltplatz "Seedorf" zu nehmen, der auf km 13,5 liegt. Als ich den jedoch erreiche, sagt mir mein Gefühl, jetzt doch noch nach Dahmen weiter zu fahren, also noch 3,5 km. Der Himmel zieht sich langsam zu, es entstehen Gewitterwolken, aber noch ist es windstill. Vom Ufer bin ich etwa 1 km entfernt, kann also noch zeitig genug reagieren, wenn es zu donnern beginnt oder Wind aufkommt. Ich habe gelernt, die Wetterzeichen zu lesen und fühle mich entsprechend sicher. Leichtsinn ist nicht meine Sache.
Hinten am Kanu gibt es unvermittelt ein kratzendes Geräusch: Ich drehe mich verwundert um und sehe eine beringte Brieftaube, die auf meinem Deck gelandet ist. Ich rede etwas mit ihr, und sie bleibt. Als ich aber nach ihr greife, fliegt sie doch wieder auf. So erreiche ich mit genügend Abwechslung den Zeltplatz Dahmen und damit den Endpunkt der Gewässer, die von der Peene paddelnd aus zu erreichen sind. Mein Reisewecker zeigt 20:10 h, und ich bin sehr hungrig.

Ich melde mich an, die Rezeption ist hier bis 21:00 h geöffnet. Ich baue mein Zelt nahe dem Seeufer unter einer Erlengruppe auf. Das Gewitter naht, und als alles aufgebaut und zusätzlich abgespannt ist, kommt der Regen. Ich telefoniere mit Gundula und koche mir eine Packung Tortellinis mit Spinat, zur schnellen Lösung mal ein Fertiggericht. Dann lege ich mich quer ins Zelt, so daß ich die Blitze über dem See gut sehen kann. Sturm und Hagel bleiben glücklicherweise wieder aus. Als das gröbste Gewitter vorbei ist, schlafe ich ein.