Kanu & Natur

ein persönliches Blog von Jürgen Clausen

Recknitz - Tessin bis Recknitzberg

Geschrieben am 12.07.2004 in Kanureisen (2004) —   Recknitz, Trebel (Geändert am 05.07.2017)

Teil 2 von 24 in der Serie Meine Kanutour im Sommer 2004 in Mecklenburg-Vorpommern

Gundula und ich stehen um 7:00h auf. Heute will ich mich zur Recknitz fahren lassen, etwa 230km von Kiel entfernt. Von da an sollen die Natur und das Wasser meine Hauptumgebung sein, die Zivilisation nutze ich in der Zeit nur soviel es mir nötig erscheinen wird. Meine Sachen sind alle gepackt, das Boot auf dem Autodach und das Wetter ist schon ein ganz klein wenig besser als die letzten Tage. Wir kochen noch einen Eintopf für uns und den zuhause bleibenden Rest der Familie, erledigen noch ein paar organisatorische Angelegenheiten (immerhin bin ich ja einige Wochen weg) und fahren um 11:30 h in Kiel los.

An der Einsetzstelle an der Recknitz "Tessin" sind wir um 16:10 h . Das Wetter ist durchwachsen und es ist relativ kühl, etwa 16 - 17°C. Ab und zu regnet es ein wenig. Gundula hilft mir noch beim Einsetzen und macht ein paar Bilder, dann fahre ich ab. Die Recknitz hat etwas Strömung und der Wind weht schräg von hinten mit vielleicht 2 - 3 bft. In meinem Kanu befinden sich ca. 80 kg Ausrüstung und Wasser. So liegt es auf Anhieb sehr stabil und macht mir gute Gefühle. Die Trennung von Gundula weniger.

Start mit sehr viel Gepäck und Gewicht...

Start mit sehr viel Gepäck und Gewicht...

Bald kommt das erste Wehr km 53,5, vor mir sind ein Faltboot mit zwei jüngeren Männern sowie eine Familie mit Hund in zwei Holzkanadiern, Leistenbauweise mit Stoffüberzug, grün lackiert. Die Umtragemöglichkeit ist relativ komfortabel, es gibt 2 Pontons.

Um 17:05 h schwimmt mein Kanu wieder, bis zum nächsten Wehr dauert es noch. Flussuferläufer begleiten mich, diese kleinen Limikolen mit dem typischen metallischen "Schreien" und dem Fluchtverhalten, das darin besteht, 20 m voraus in Fließrichtung zu fliegen, sich niederzulassen und dann erneut aufzufliegen und sich wieder 20 m weiter nieder zu lassen etc., bis ihr Revier zu Ende ist und sie im weiten Bogen zum Anfang ihres Revieres zurückfliegen. Im Schilf sehe ich immer mal wieder einige Rohrammern.

Nach ruhiger Fahrt mit vielem Umherblicken auf die interessante Umgebung erreiche ich bei km 49 das Wehr südöstlich von Zarnewanz. Es ist nicht mit 2 Pontons zum Ein- und Aussetzen ausgestattet, wie das vorherige, sondern hat nur einen zum Aussetzen. Der Umtrageweg ist etwa 70 m lang, und meine vorherigen Gefährten, sowohl die Faltbootfahrer als auch die Familie mit den Holzkanadiern bauen ihre Zelte auf. Es regnet etwas, und ich lasse mein Boot, nachdem ich alles wieder eingepackt habe, über mooriges Ufer in die Recknitz gleiten und steige ein. Es ist 18:30 h, windig und feucht.

Der Wasserstand ist hoch, die Ufer entsprechend niedrig und die Sicht auf die Umgebung sehr gut. Das Tal ist hier eine moorige Wiesen- und Sumpflandschaft, die in eine Sandmoränenkette eingefaßt ist, die sich in Entfernungen von 100 bis 300m vom Ufer erhebt, meist mit Kiefern, Fichten und Eichen bestanden ist und auch einige kahle Sandabbruchstellen aufweist, was mir prompt das Vorkommen von Ufer- bzw. Sandschwalben erklärt. Ich sehe also weich geschwungene Grasflächen, Gehölze, kleine Waldflächen und schöne Einzelbäume, meistens Eichen und Erlen.

Immer noch begleiten mich Flussuferläufer, manchmal Familien bis zu 4 Stück. Außerdem gibt es hier ungewöhnlich viele Rehe, auch ein paar Störche und Mäusebussarde.

Etwa 20:00 h erreiche ich Recknitzberg, bei km 43,5. Für mich ist das, was ich hier sehe, ein nicht zu durchfahrendes Hindernis: eine Arbeitsmaschine und eine Krautsperre von ca. 30 m Länge sowie ein Wehr, das zwar hochgezogen ist, aber nur 20 cm Kopffreiheit bietet, wahrscheinlich weil der Wasserstand so hoch ist. Was also tun? Beide Hindernisse zusammen sind vielleicht 150 m lang, also alles auspacken, das Boot aus dem Wasser ziehen und hoffen, dass der Weg befahrbar ist und das Ufer sich zum Einsetzen eignet.

Als ich alles an Land habe, ruft Gundula verabredungsgemäß an. Sie ist gut und schnell nach Kiel gekommen, ohne Stau bei Lübeck in 3,5 Std. Ich gebe an, noch weiterfahren zu wollen und berichte ein wenig von meiner Fahrt. Nach dem Gespräch überlege ich, doch hier mein Zelt aufzubauen. Ich schaue mir noch die Einsetzstellen an und den Weg bis dorthin: Was ich sehe, lädt mich nicht gerade zu einer Ein-Mann-Abend-Action ein, und so steht mein Entschluß schnell fest, mein Zelt aufzubauen und hier zu nächtigen. Aufziehende dunkle Wolken bekräftigen meinen Entschluss.

Das Zelt ist schnell aufgebaut, ich imprägniere es noch, da ich auf der letzten Fahrt ein leichtes Wassereindringen zu beklagen hatte. Auch ein (sehr!) kleines Feuer mache ich mir noch auf der Betonfläche, dabei esse ich zu Abend und krieche dann in meinen Schlafsack. Noch schnell nach Hause telefoniert und gemeldet, das ich doch nicht mehr weiter paddle.

Es fängt wieder zu regnen an, die Temperatur beträgt magere 12°C. Um 23:00 h schlafe ich ein. Ich schlafe ruhig, höre jedoch mehrfach merkwürdige Vögel, deren Töne ich nicht beschreiben kann. Vielleicht handelt es sich hierbei um Ziegenmelker oder eine mir unbekannte Eulenart.