Kanu & Natur

ein persönliches Blog von Jürgen Clausen

Havelseen von Ketzin bis Klein Kreutz

Geschrieben am 06.07.2009 in Kanureisen (2009) —   Untere-Havel (Geändert am 05.07.2017)

Teil 6 von 13 in der Serie Solo-Kanutour auf der Unteren Havel 2009

Am Morgen bin ich nach sehr ruhiger Nacht mit wirklich wenigen Umgebungsgeräuschen früh ausgeschlafen, so kann ich meine Morgenroutine in Ruhe erledigen. Um halb neun kommt der Mann von der Wasserwacht, damit ist das Tor geöffnet. Ich beschließe, einkaufen zu gehen, der Strandbad-Wächter beschreibt mir einen schönen Weg durch dem Sumpf zum nächsten Supermarkt. Mit dem Nötigsten komme ich eine knappe Stunde später zurück, da ist mein Zelt auch schon trocken, so dass ich gegen 9:30 Uhr in meinem Holzkanu sitze und neuen Ufern entgegen paddeln will.

Havelinseln bei Ketzin

Havelinseln bei Ketzin

Das Wetter ist noch ruhig, wir haben etwa 19° und es weht ein schwacher Wind aus überwiegend Nord. Links von mir liegen einige Havelinseln, rechts am festen Ufer sehe ich von der Stadt Ketzin nicht viel, nur die Marina des Seesportclubs sowie einige Privathäuser  tauchen auf, teilweise mit Übernachtung (Pension). Dann sehe ich ein Frachtschiff, dass langsam rückwärts aus einem kleinen Hafen auszulaufen scheint. Da will ich lieber warten, bis ich erkenne, dass es gerade beladen wird und einfach nur die Kornschütte in den nächsten Abschnitt seines Rumpfes lenken will. Es fährt also nicht weg, so kann ich in Ruhe vorbeipaddeln. Der Hafen ist doch ziemlich groß, ein zweiter liegt gerade dahinter. Ansonsten gibt es noch viele halb verfallene Gebäude, die einmal ganz nett ausgesehen haben werden und einige Altarme der Havel.

"Hafenmeisterpavillon" in Ketzin

"Hafenmeisterpavillon" in Ketzin

Auf meiner Gewässerkarte sehe ich ein ganzes Labyrinth von Altarmen und Wasserlöchern, von denen ich weiß, dass sie einst Torf - und Tonstiche gewesen sind. Ich erkenne auch, dass ein Teil davon besiedelt ist, also Häuser auf sehr schmalen Landzungen zwischen diesen Löchern stehen, die aber auch durchaus mittels Wegen miteinander und mit dem Rest der Welt verbunden sind. Das möchte ich mir ansehen, und so paddle ich um die sehr große Havelinsel herum und in die nächstbeste Einmündung  hinein, an deren Ausgang ein paar kleinere Yachten liegen. Ich fahre dabei an einem kleinen Motor-Angelboot vorbei, in dem ein älterer Mann und ein kleines Mädchen sitzen und am Ufer den Spuren einer Biberfamilie auf den Grund gehen und den Vogelstimmen lauschen. Der alte Mann erklärt der Kleinen alles in Ruhe, ich bin beeindruckt.

Wasserlabyrinzh Ketzin-Brückenkopf

Wasserlabyrinzh Ketzin-Brückenkopf

Das Dorf, in dem ich hier paddle, besteht zum Teil aus Gartenhäusern, zum Teil aber auch aus Wohn - und Wirtschaftsgebäuden. Ansonsten gibt es hier in den tieferen Tiefen sehr viel Wildnis, also Sümpfe und Bruchgehölz, in dem die Natur das Sagen hat. Auch an einem Restaurant-Hotel paddle ich vorbei, es gibt tatsächlich einen Steg für das Anlegen mit dem Kanu.

Havel durch den Trebelsee

Havel durch den Trebelsee

Nachdem ich mir diesen Teil von Ketzin angeschaut habe, den man hier "Brückenkopf" nennt, lenke ich mein Kanu wieder Havel abwärts. Links von mir liegen immer noch die Havelinseln, ich paddle auf schmalen Altarmen der Havel zwischen ihnen durch, bevor ich den Trebelsee erreiche. Ein Ruderboot kommt mir entgegen, 4 Ruderinnen plus einer Steuerfrau. Wir grüßen einander freundlich, dann bin ich schon auf dem Trebelsee.

Havel bei Deetz

Havel bei Deetz

Hier bin ich wieder auf der Haupthavel, die auch von Schiffen genutzt wird. Eigentlich will ich am geschützten Nordufer paddeln, aber der Wind aus nördlichen Richtungen treibt mich immer wieder auf den Trebelsee zurück, so daß ich dann doch mehr in Seemitte fahre. Mit den Wellen geht es, schaukelt halt ein bisschen. Der Trebelsee ist ansonsten eher berüchtigt und bei Paddlern gerne als starkwellig verpönt, wie ich später in den Häfen höre. Ich kann meine abwechslungsreiche Fahrt sehr genießen, wenn auch der Wind noch zunimmt und damit der Druck von der Seite. Die Ufer sind hier fast überall stark mit Gehölzen bestanden, das bringt genügend Windschutz, wenn man dicht genug dran ist. Es gibt hier ansonsten einige kleinere und ein paar größere Inseln sowie Halbinseln, alles zusammen eine Naturlandschaft, in der nur die befestigten Ufer stören. Oft paddle ich einen der durchaus breiten Havel-Altarme, um mehr Natur erleben zu können. Ich stelle mir vor, wie es hier wohl gewesen sein könnte, als die Havel noch ohne Steinböschungen wild mäandrierend ständig neue Uferlinien, Sandbänke und Inselchen geschaffen hat. Und nun plant man sogar, diesen Abschnitt der Havel für größere Frachtschiffe weiter zu kastrieren, indem man Inseln und Halbinseln verkleinert oder verschiebt. Wie pervers ist die Menschheit eigentlich? Wer so etwas befürwortet, sollte sich mal auf seinen Geisteszustand untersuchen lassen. Was will der Mensch denn mehr erreichen als Wohlstand? Für noch mehr Wohlstand würde ich die Naturreste, die wir zum Glück noch haben, niemals hergeben!

Links sehe ich einen Hügel aufragen, das müssen die "Götzer Berge" sein, immerhin eine Erhebung von über 100 m. In der Nähe von Deetz gibt es einen kleinen Anglerhafen und auch noch eine Art Marina in einem Altarm. Vorher kam ich an einer Verladestation für Schüttgut vorbei, an der es ziemlich staubte: es könnte Ton oder Kreide sein. (später erfuhr ich, daß es sich hierbei um eine Entsorgungsstation für Bauschutt, Asbest und Bodenaushub handelt).

Biwakplatz bei Deetz

Biwakplatz bei Deetz: Anlanden nicht möglich wegen hoher Betonmauer und vieler scharfer Böschungssteine.

Ich benötige dringend eine Blasenentleerung, aber ein Ufer ohne scharfen Granit ist nicht in Sicht. Auch die Bermen (schräge Flächen vor den Ufern) sind derart bewehrt, da hilft also auch kein Aussteigen ins Wasser, der Boden würde trotztdem verschrammt. Unterhalb km 41 finde ich rechts so etwas wie einen Hafen, es gibt eine Spundwand, oben eine gemähte Fläche mit Dixie, aber keinen Schwimmsteg oder etwas Niedriges für Kanus, obwohl dieser Platz offensichtlich für Wasserwanderer angelegt ist. Auch die Ufer zur Havel hin taugen nicht zum Anlegen, siehe oben, obwohl sie dazu einladen und wie Schilfufer aussehen.

Am Ende der Spundwand komme ich mit Hilfe einiger Baumwurzeln aus dem Kanu und kann auch mein Geschäft erledigen, aber dafür muss ich ein sehr steiles Ufer erklimmen: mit meiner Küchenkiste will ich das nicht, und so suche ich bald nach einem anderen Platz. Ein paar Meter zuvor hatte ich einen Angleranleger gesehen, also paddle ich zurück. Da ist aber ebenso wenig gut anlegen, Metall herrscht hier vor. Ich wünsche mir Fender!!!

Pausenplatz an der Havel bei km 47

Pausenplatz an der Havel bei km 47

Erst, als ich kurz vor km 47 bin, rechts an einer kleinen Insel vorbei paddle, sehe ich in der Ferne am rechten Ufer so etwas wie "Strand". Das könnte was für mich sein, und so steuere ich mein Holzkanu darauf zu. Im Näherkommen entdecke ich zu meiner Freude am Ufer neben dem Strand eine Reihe von Holzpfählen in idealer Anlegehöhe. Der Wind hat kräftig zugelegt, mindestens 4 Bft mit starken Böen, dabei ist es recht sonnig. Ich binde mein Holzkanu gut fest und mache eine ausgiebige Pause. Dabei stelle ich fest, daß das nördliche Ufer auf großer Länge eingedeicht ist: hinter den Deichen befinden sich Entwässerungsgräben, die das Drainwasser auffangen und ableiten sollen. Das "Havelluch" ist hier eine riesige Wiesenlandschaft mit wenig Bäumen.

Schubverband auf der Havel

Schubverband auf der Havel

Leider ist der Wind recht unangenehm und verleidet mir meine Pause etwas, so dass ich mich doch bald wieder auf meinen Weg mache. Ein paar Frachter und kleinere Yachten ziehen ihre Bahn, sie wurden wohl in einer Schleuse gemeinsam durchgelassen. Das zerklüftete Ufer liegt jetzt mehr links, Halbinseln, Inseln und Bruchgehölzufer. Das ist eine Wohltat für die Seele, leider kann ich nicht nahe daran vorbei paddeln, da ich wegen des Windes am rechten Ufer bleiben muß. Aber die Tatsache, dass die Natur hier in der Form existiert, genügt mir schon vorübergehend.

Inselhavel bei Saaringen

Inselhavel bei Saaringen

Ich plane, im kleinen Hafen "Eden" mit Campingplatz zu übernachten. Dafür hoffe ich, dass der Himmel noch dicht hält: es sind nämlich dunkle Wolken aufgezogen. Es ist kurz vor 17:00 Uhr, für mich sind es noch etwa gut 3 km zu paddeln, und in Anbetracht der Wetterlage verzichte ich auf die Befahrung der rechten Seitenarme, wie ich es gerne getan hätte. Mein Kanu gleitet vorbei an den Inseln  "Weseram", "Köhninge", "Großes Ohr" und anderen. Auch sie sind leider mit scharfen Granitufern versehen. Der Schiffsverkehr ist gegen Abend etwas stärker geworden, aber er stört nicht wirklich, und auch die meisten Motorbootfahrer halten sich an die 12 km/h -Regel (gelegentlich nur 9 km/h, auch mal 20)

Dann kommt km 50 in Sicht, dahinter soll der Hafen sein. Meine Karte zeigt mir eine Insel an und die Abzweigung der "Krummen Havel", rechts davon liegt dann der "Campingclub Eden" mit Hafen, ich bin also in Klein Kreutz. 

Ein paar Angler stehen mit ihren Werkzeugen an der Havel, ihren Wohnwagen im Rücken. An der Hafeneinfahrt steht eine Holzhütte, ein beleibter Mann fühlt sich dazu berufen, mir den Weg zum Anleger erklären zu müssen. An der Seite der Hütte befindet sich eine Art Hundehütte, in der laut einem bunten Schild eine weiße Gans namens "Anneliese" lebt. Vielleicht brütet sie? Wer weiß, es sieht so aus.

Ich finde tatsächlich den Weg zum Anleger (es ist ungefähr der kleinste Hafen, den ich bis dahin kenne), es ist 15:46 Uhr. Zwei Männer arbeiten an einer Yacht, an der ein Schild  "zu verkaufen" angebracht ist. Ich spreche sie an, und einer von denen ist der Betreiber. Er weist mir einen Platz zu und bedeutet mir, mich erst später anzumelden. Er hat den Kopf voll, da es Regen geben wird. Schnell holt er mit seinem Elektromobil ein paar blaue Planen und verhüllt damit seine "Baustelle".  Darunter bohren sie weiter.

Camping Yachthafen Eden

Camping Yachthafen Eden

Die Farbe des Himmels macht mir etwas Druck, was ich gar nicht nicht liebe. Ich bewahre meine Ruhe und packe erstmal mein Kanu leer, nehme es aus dem Wasser und bestimme die Lage meines Zeltes. Dann frage ich mich: baue ich jetzt schnell auf und schaffe es noch vor dem Regen, oder warte ich lieber, bis der Regen vorbei ist? Ein Radfahrer zeltet in der Nähe, er schaut mir in mein ratloses Gesicht und in den Himmel, hat wohl ohne Worte verstanden. Ich warte, es regnet ein wenig, dann hört es auf, und ich packe mein Zelt aus. Dann fängt es zu schütten an, und ich biete all meine Geschicklichkeit auf, trotzdem ein trockenes Innenzelt zu behalten, was nicht einfach ist, aber recht gut gelingt. Ich selbst bin natürlich nass, denn ich habe ja nur 2 Arme und nicht noch einen dritten für meinen Anglerschirm. Was solls, sage ich mir, es ist ja windig und warm, da bin ich schnell wieder trocken.

Campingplatz Eden an der Havel

Campingplatz Eden an der Havel

Ich gehe mich anmelden, der Wirt ist überraschend freundlich, bietet mir das Gästefahrrad an, damit ich nach Brandenburg zum Supermarkt fahren kann. Auf dem Weg durch die Sümpfe sollen es nur 5 km sein, da es erst 19:10 Uhr ist, werde ich es noch schaffen. An einer sonnigen Stelle am Fahrradweg liegt eine Blindschleiche und sonnt sich, an sonsten gibt es sehr viele kleine Gehäuseschnecken in abwechselungsreichem Design.

Ich finde den Weg, kaufe richtig gut ein und bin gegen 20:00 Uhr schon zurück. Ich habe diesmal auch Fleisch gekauft sowie Bio-Tiefkühlgemüse. Auf dem Campingplatz kann ich in einem großen Zelt mit Spüle und Gaskocher mein Essen zubereiten.

Ich koche mir Nudeln auf und stelle sie in meine Kochkiste, brate eine große Zwiebel an, gebe das Tiefkühlgemüse hinein und würze es sehr kräftig mit schwarzem Pfeffer, Ingwerpulver und Brechts-Kräutersalz. Daneben brate ich die kompletten 500 g Hähnchenbrust, nachdem ich sie mit Paprika scharf gewürzt habe: mein Gedanke ist, morgen die Reste als Zwischenmahlzeit zu verwerten. 

Abend an der Havel bei Klein Kreutz

Abend an der Havel bei Klein Kreutz

Das Essen schmeckt mir vorzüglich, und nach dem Abwasch gehe ich wie gewöhnlich noch etwas mit meiner Kamera umher, fange die Abendstimmung ein so gut es geht. Ein paar Leute aus Bremen angeln,  sind schon 3 Wochen hier. Zwei letzte Frachtschiffe ziehen vorbei, dann geht die Sonne unter. Biber sehe ich nicht, hätte ja sein können. Sie sind ja überall zuhause an der Unteren Havel, auch in Berlin, lassen sich aber für mich nicht blicken. Alles wird ruhig,auch ich mache mich bettfein und ziehe mich langsam zurück, bis ich in meinem Schlafsack liege. Jetzt noch ein kurzes Telefonat mit Gundula, dann bin ich "weg".