Kanu & Natur

ein persönliches Blog von Jürgen Clausen

Frankfurt/Oder bis Küstrin-Kietz

Geschrieben am 23.08.2008 in Kanureisen (2008) —   Oder (Geändert am 05.07.2017)

Teil 4 von 9 in der Serie Wandertouren auf der Oder 2008

Heute ist Freitag, der 22.August 2008, und wir wollen den Oder-Abschnitt von Frankfurt bis Küstrin-Kietz paddeln. Es sind etwa 33 km, also etwas mehr als die 29 km am Vortag.

Wir haben uns wieder mit frisch belegten Brötchen für die Tagesverpflegung eingedeckt. Nachdem wir ein Fahrzeug in Küstrin abgestellt haben, fahren wir zügig nach Frankfurt. Es gibt eine Umleitung, da die Hauptstraße neu geteert wird, allerdings fehlt es an deutlicher Ausschilderung, so dass wir uns ein paar mal verfahren. Dann sind wir vor Ort, laden die gesamte Ausrüstung ab und parken unser Auto in der Nähe, was kein Problem ist, da die nahe Uni gerade Semesterferien hat.

Wir wollen nicht dort an der harten Sliprampe einsteigen, wo wir angelandet sind, sondern unbedingt vom Ziegenwerder aus starten. Tatsächlich finden wir eine Stelle, wo ein Grasufer weiches Starten ermöglicht, auch wenn wir dabei etwas durch die Büsche kriechen müssen. Bald sitzen wir freudig erregt in unserem Holzkanu und paddeln sofort in kräftiger Strömung los.

Rechts sehen wir den ehemaligen Stadtteil von Frankfurt, der heute "Slubice" heißt. Ein kurzes Stück hinter der Straßenbrücke liegt eine sehr gute Einsetzmöglichkeit, die könnte man ja das nächste Mal testen.

an Frankfurt/Oder vorbei

an Frankfurt/Oder vorbei

Wir paddeln weiter an dem alten Industriegebiet (links) entlang, davor liegt eine Insel. Es erscheint links das Klärwerk, kurz dahinter ist Frankfurt zu Ende, und das linke Ufer hat hier seine besonderen Reize. Es gibt eine Reihe von schönen, kleinen Stränden. Selbst bei so hohen Wasserständen wie zur Zeit schauen noch Sandbänke heraus. Bei einem späteren Erkundungsausflug in dieser Region entdecke ich, dass es eben hier optimale Einsetzmöglichkeiten gibt, die auch von der Hauptstraße (B112 bzw B5) aus gut zu erreichen sind.

Dann sind wir auch schon an Frankfurt vorbei, wie gewöhnlich auf dieser Paddeltour kommt es uns sehr schnell vor, kein Wunder bei 7 km/h im Durchschnitt.

nahe Frankfurt

nahe Frankfurt

Da das Ufergelände etwas erhöht ist, gibt es hier auch keine Deiche. Rechts auf der polnische Seite liegt Wald, links eher Bruchwald um sumpfigen Ufer, dann auch mal Wiesen. Das Gelände links steigt immer mehr an, ab und zu hören wir Autos die Bundesstraße 112 oder auch die Eisenbahn fahren.

In der Ferne sind schon Häuser zu sehen, die links auf einem erhöhtem Ufer gebaut wurden: Lebus kommt in Sicht, ein kleines nettes Städtchen. Hier wollen wir auch eine ausgedehnte Pause einlegen, mit dem Auto waren wir schon einmal in dem Ort, um einzukaufen und Post zu erledigen.

Lagune bei Lebus

Lagune bei Lebus

Wir steuern einen Ufereinschnitt links an, kommen dadurch in ein Nebengewässer, das sicher einer der vielen Oder-Altarme ist. Es bildet eine Insel vor Lebus, dahinter liegen Sandhügel mit Trockenrasenflächen. Auch auf der Insel gibt es diese, wir lassen uns dort häuslich nieder. Unser Anlegemanöver wird von einem Ortsbewohner mit einem Fernglas verfolgt, und um diesem Menschen dieses nicht nette Treiben zu verleiden, richtet Alexander seine Kamera mit dem voluminösen Teleobjektiv auf diesen Zeitgenossen. Das hat den gewünschten Erfolg, und der Mann zieht sich in die Tiefen seiner Terrasse zurück. 

Als wir so gemütlich auf dieser sandigen Insel unser Mahl verzehren, raschelt es mehrmals im nahen Schilf direkt neben uns, und nachdem wir uns einfach still verhalten haben, erscheint ein Hermelin, ein kleiner Iltis und wutscht schnell an uns vorbei. Ich denke, wir lagerten genau an seinem gewohnten Weg. Ein Foto können wir leider nicht so schnell realisieren, schade.

Pause bei Lebus

Pause bei Lebus

Ein anderer Anwohner kommt mit seinem Hund (Promenadenmischung in Schäferhundgröße) zum Auslaufen auf die Insel. Wegen des hohen Wasserstandes geht ihm das Wasser bis zum Bauch, was ihn nicht zu stören scheint. Als die beiden nach einer Weile zurück kommen, will der Hund lieber bei uns bleiben, und der Mann hat deutliche Mühe, ihn dazu zu überreden, doch wieder mit nach Lebus zu kommen.

Unsere Pause ist zu Ende, und wir laden alles in unser Kanu und paddeln auf die Oder zurück. In Lebus liegen die Häuser meist höher am Hang, doch es gibt auch an einer ehemaligen Fähre eine Gastwirtschaft und eine Anlegemöglichkeit. Auf der polnischen Seite gegenüber lädt eine Tisch-Bank-Kombination zu einem Aufenthalt ein. Ein paar Angler sitzen am Ufer, was in Polen zur Normalität gehört. Auf der deutschen Seite müssen die Angler erst einmal realisieren, dass sie dort jetzt angeln dürfen: das geht erst seit der Unterzeichnung des Schengener Abkommens Ende 2007, vorher war von den Bewohnern ein Abstand von ich glaube 500 m einzuhalten.

Am Hang in Lebus ist in großen Buchstaben der Name des Ortes angebracht, wie man es von Hollywood kennt. Am Ortsausgang liegt noch der kleine Hafen mit Restaurant ("Anglerheim") und Biwakplatz, Sanitär gibt es allerdings nicht. Anlegen geht hier jedoch gut und "weich".

Fischadler an der Oder

Fischadler an der Oder

Die folgenden Kilometer werden wir durch Naturschauspiele verwöhnt: jagende Fischadler, viele Graureiher, ein paar Gänsesäger sowie Kiebitze sorgen für unsere Unterhaltung. Dazu gibt es sehr schöne Ufer, teilweise stark zerklüftet, immer grün. Auf der deutschen Seite ist es wieder relativ niedrig, rechts dagegen steigt es bald an und ist oft richtig bewaldet.

Schwimmfarn

Schwimmfarn: Nebengewässer können mit dieser eigenartigen Pflanze innerhalb kürzester Zeit zuwuchern, meist gegen Ende Juli

Hinter den Buhnen sind hier sehr oft kleine Ausspülungen, die wie kleine Seen wirken. Da gibt es immer viel zu sehen. An machen Stellen haben sich viele kleine Inseln gebildet, auf denen viele Lach- und Silbermöwen leben. Ein Nebenarm auf der Ostseite ist komplett von Schwimmfarn bedeckt, einer Wasserpflanze, die in Deutschland nur an der Oder vorkommt.

Kurz vor km 608 scheint ein Nebenfluss in die Oder einzumünden, ein Blick in unsere Gewässerkarte zeigt uns jedoch, dass es sich hierbei um einen toten Arm handelt, der nur ca. 1 km lang ist.

Festung Küstrin

Festung Küstrin

Der Altarm der Oder, der nach weiteren 4 km links abzweigt, ist kaum zu sehen: wir sind fast in Küstrin-Kietz angekommen. Bald sehen wir rechts die Festungsgemäuer von der ehemaligen Festung Küstrin, dahinter einen hohen, schlanken Turm mit einem nicht mehr ganz so gut erhaltenen Sowjetstern. Es handelt sich hier um die sozialistische Gedenkstätte in Kostrzyn nad Odrą
"Sowjetisches Ehrenmal und sowjetischer Soldatenfriedhof"
(Auf der Bastion "König"). Der Turm ist baufällig und soll wohl demnächst abgerissen werden, haben wir gehört. Die Festung selbst liegt auf der Insel, die durch Wartamündung, der Oder sowie das verzweigte Flussdelta der Warta gebildet wird und galt jahrhundertelang als uneinnehmbar.

Im 13. Jahrhundert war es hier auch schon mal polnisch, es ändert sich gerade an bedeutenden Flüssen eben des öfteren etwas in der Machtpolitik.

Die Festung selbst wurde im 16. Jahrhundert erbaut, ebenso die Garnison auf dem Westufer. Diese erblicken wir als jetzt verlassene Zollstation, aufgegeben wegen der nunmehr weggefallenen Grenzkontrollen. Bis zum Ende des 2. Weltkrieges waren hier immer Soldaten stationiert.

Wir würden gerne links anlegen, das ist jedoch unmöglich: an der ehemaligen Zollanlegestelle ist es zu hoch und die Strömung wäre hier auch viel zu schnell, um gefahrlos anlegen zu können. Unter der Brücke ist es sehr steinig, da geht es auch nicht. Der Fischimbiss dahinter hat nur eine hohe Kaimauer aus Stahlspundbohlen, da ist nichts zu machen. Das alles hatten wir aber schon erkundet, als wir unser Auto abstellen wollten. Heute vormittag sind wir dann zu der Stelle bei km 617 gefahren, die in unserem Jübermann-Tourenatlas als Einsetzstelle eingezeichnet ist. Dorthin werden wir jetzt paddeln und unsere heutige Kanutour beenden.

Wir haben hier Strand, eine Ausspülung hinter einer Buhne. Von dort aus ziehen wir unser Kanu eine kurze Böschung hoch und noch ein Stück über hohes Gras. Dann hole ich das Auto, fahre über den Deich auf des Vorland, das zum Glück sehr trocken ist, bis hin zum Kanu und der Ausrüstung.

Nach einer Paddeltour mit sehr viel Abwechslung holen wir nun unser 2. Auto aus Frankfurt und fahren dann zu einer Pension in der Nähe, um zu kochen, zu essen und den Tag bei einem kleinen Abendspaziergang ausklingen zu lassen.