Kanu & Natur

ein persönliches Blog von Jürgen Clausen

Von Schwedt bis Gryfino

Geschrieben am 04.04.2009 in Kanureisen (2009) —   Oder (Geändert am 05.07.2017)

Teil 9 von 9 in der Serie Wandertouren auf der Oder 2008

Erst gegen Mittag bin ich soweit, den letzten Abschnitt meiner Odertour zu beginnen.

Das Wetter ist angenehm, nicht zu heiß, aber trocken und sonnig. In guter Stimmung paddle ich langsam der Schleuse Schwedt entgegen, sie ist offen, ich paddle hinein. Alles ist ruhig, als ob niemand zur Bedienung der Schleuse anwesend wäre. Dann sehe ich weit oben im Bedienungsstand eine Bewegung, das könnte der Schleusenwärter sein. Ich frage freundlich nach oben, ob er zu schleusen gedenkt, da er keinerlei Anstalten macht, etwas in Bewegung zu setzen. Ich habe ja kein Problem damit, wenn nicht geschleust wird, dann setze ich eben um, meist geht es ja.

Ich bekomme eine blöde Antwort, und dann meint er auch noch, ich würde mich jetzt in internationale Gewässer hinein bewegen und brauchte daher eine Nationalflagge. Ich sage, dass ich das weiß und daß die Wasserschutzpolizei mich jedoch schon kennt, da ich mich hier schon wochenlang "herumtreibe".

Er meint nun, Spielchen mit mir spielen zu müssen, er dürfe mich nicht schleusen etc. Ich sage, dann eben nicht, dann setze ich eben aus und hinter der Schleuse wieder ein! Er meint dann, wir wollen hier doch nicht tricksen, ich sage, warum nicht, und so geht es eine Weile hin und her. Ich bin etwas belustigt ob eines solchen Bürokraten, was geht ihn das an, das ist ja wohl Sache der Polizei. Dann schließt er die Tore hinter mir, läßt etwas Wasser ab und öffnet die andere Seite. Ich grüße noch freundlich (wirklich, ich schwöre!) und paddle meiner Wege. Auf meinen Kanutouren habe ich bisher  an die 90 Schleusungen erlebt, aber so etwas noch nie.

Die Schwedter Querfahrt ist mal wieder wunderschön, ein richtiger See. Das Wasser ist ganz klar, viele Pflanzen, vor allem Wasserpest, bilden einen guten Hintergrund für das Beobachten der vielen Fische, die hier leben.

Es folgen noch 3 km "See", der ja in Wahrheit ein Oder-Altarm ist, und bin dann in der Ostoder angekommen. Gegenüber liegt der kleine Ort Ognica, er liegt am Hang, geschützt vor Oder-Hochwasser. Das weitere Gelände ist bewaldet, das Gelände steigt relativ hoch an.

Badestelle bei Ognica

Badestelle bei Ognica

Es gibt keine Strömung mehr, und die linke Flusshälfte ist ziemlich stark von Kleinblatt und Algen bedeckt. Das Wetter ist immer noch schön, ich habe allerdings leichten Gegenwind. Das trübt meine Laune jedoch keineswegs, dann brauche ich eben ein wenig mehr Kraft.

So paddle ich dann die nächsten knapp 7 km bis Widuchowa, rechts immer die steilen Oderufer und links das eher langweilige Ufer des Nationalparks (entschuldige bitte, lieber Nationalpark!). Aber es ist nun mal so. Aber ich weiß ja auch, daß es in den Poldern völlig anders ist: eben eine Wunderwelt aus Sumpfpflanzen und Auenwaldgehölzen, Weiden, Erlen und Eschenahorn etc. Der Inhalt ist völlig anders als die Verpackung in diesem Bereich am östlichen Ufer. Allerdings steht auch nirgendwo ein Hinweisschild auf den Nationalpark. Mit Paddlern rechnet man hier wohl noch nicht.

In Widuchowa liegen auf der polnischen Seite einige "offiziell" aussehende Motorboote, wahrscheinlich Wasserpolizei oder Zoll. Auf der deutschen Seite ist die Zollstation verwaist, sie liegt direkt neben einer alten Schleuse, die jetzt wohl als Element des Wassermanagement dient. 

Widuchowa

Widuchowa

Widuchowa erweist sich als langgestreckter Ort, es gibt einen Fischer, eine "Jugendbegnungsstätte" am Wasser und sogar eine Einsetzstelle, die man für Kanus nutzen kann. Während ich langsam weiter paddle, nehme ich wahr, dass jetzt am linken Ufer wenigstens einige Gehölze wachsen dürfen.

Die Bebauung am rechten Ufer reicht fast ganz bis zu der Stelle, wo ein großes Wehr die Einfahrt in die Polder versperrt: hier ist die breite Querfahrt nach Friedrichsthal, also rüber zur Westoder. Die HoFrieWa endet hier. Als ich näher heranfahre, erkenne ich, daß ein Wehrtor geöffnet ist. Allerdings herrscht ziemlich starke Strömung, und das lässt mich ein wenig zögern, einfach dort hinein zu paddeln. So teste ich erstmal das Stück bis zur Wehrmittellinie und wieder zurück, es scheint doch nicht so schlimm zu sein. Also fahre ich beherzt durch das Wehrtor, und schon befinde ich mich in dem zwar völlig geraden, aber trotztdem netten Kanal, der früher wohl auch mal ein Oderarm gewesen ist. Seine Ufer sind üppig bewachsen, viele Sumpfpflanzen blühen hier wie Beinwell, Froschbiß und sogar Krebsschere mit ihren kleinen weiß-gelben Blüten.

Marienhofer Querfahrt

Marienhofer Querfahrt

Diese Wasserstraße bildet ab hier die Staatsgrenze, also ist links noch der Nationalpark Unteres Odertal, rechts jedoch die polnische Polderlandschaft, die ich ja auch schon kennengelernt habe. Der große Unterschied besteht darin, daß es hier kein Wassermanagement gibt: überschüssiges Oderwasser kann hier einfach in die Polder hinein - und auch wieder hinaus fließen. (Im März 09, als ich erneut in der Gegend bin, sind die deutschen Polder randvoll, während die Oder selbst und die polnischen Polder erstaunlich wenig Wasser führen).

unterhalb Marienhofer Querfahrt

unterhalb Marienhofer Querfahrt: ab hier sind links und rechts nur noch selten Bäume bis vor Gryfinow

Ein kurzes Stück unterhalb der Marienhofer Querfahrt wird das rechte Ufer auch immer niedriger, bis die Oder auch hier nur noch durch Niederungen mit Schilf rechts und links führt. Ab und zu mal eine kleine Baumgruppe ist das einzige, was an "sonstigem Bewuchs" vorhanden ist. Die Biber haben es geschafft, fast alle der noch verbliebenen Bäume anzuknabbern, es sei ihnen vergönnt. Ich empfehle der Obrigkeit dringend, gelegentlich ein paar neue Gehölze anzupflanzen (das gilt für viele andere Stelle an der Oder ebenfalls).

Bald sehe ich links in einiger Entfernung einen Turm, das muß Gartz sein. Wenn man von hier hinüber paddeln möchte, muß man den Eingang in die Polder kurz hinter km 710 finden: eine alte, intakt aussehende Schleuse wird hier sogar von der polnischen Wasserpolizei und Anglern genutzt, obwohl offiziell Motorboote dort verboten sind. 

Die Oder kurvt etwas nach rechts, dann sehe ich das Wahrzeichen von Gryfino: die Schlote des Kohlekraftwerks sind zwar noch fast 10 km weg, aber man sieht sie wegen ihrer Höhe doch sehr weit.

Kraftwerk Gryfino

Kraftwerk Gryfino

Bis ich dort angekommen bin und an der breiten Hafeneinfahrt vorbeipaddle, sind es noch einige recht langweilige Kilometer. Ich finde, immer, wenn man Gebäude von weit entfernt sieht, ist man beim Paddeln wie auch beim Wandern ziemlich auf dieses Mal fixiert, so dass einem die Distanzen ewig vorkommen.

vor Gryfino

vor Gryfino

Vom Kraftwerk selbst sehe ich so gut wie nichts, es liegt ja auch noch einen guten Kilometer landeinwärts. Kurz vor Gryfino wird es landschaftlich wieder etwas reizvoller: ein üppig bewachsenes rechtes Ufer verwöhnt meine Sinne. Dann entdecke ich so kurz vor meinem Ziel etwas, was mein Herz vor Freude hüpfen läßt: "etwas" zieht in Ufernähe seine Bahnen, das sieht mir sehr nach Bibern aus! Bald sehe ich sie auch, und ich paddle nicht mehr. Zwei Erwachsene, einer vom letzten Jahr  und drei Junge sehe ich unter dem ausgehöhlten Ufer sitzen, höre sie sogar fiepen. Die Abendsonne scheint hier gerade günstig hinein, so dass ich sie deutlich sehen kann. ich beobachte sie noch eine Weile und erinnere mich dann daran, eine Verabredung zum Kanu-Shuttlen zu haben. So paddle ich freudig aufgewühlt den letzten Kilometer bis zur Badestelle in Gryfino.

Strand von Gryfino

Strand von Gryfino: Ende meiner Paddeltour

Hier endet meine Kanutour, und ich lasse mich abholen, um die folgende Nacht auf dem Campingplatz Mescherin zu verbringen.

Hier findet man eine komplette systematische Beschreibung der Oder von Ratzdorf bis Stettin in unserem FlussInfo - Portal.