Kanu & Natur

ein persönliches Blog von Jürgen Clausen

Rhinkanal bis Oranienburg

Geschrieben am 14.08.2006 in Kanureisen (2006) —   Rhin, Ruppiner-Gewässer (Geändert am 27.10.2017)

Teil 11 von 16 in der Serie Müritz - Rhin - Havel - Rundtour 2006

Die folgende Strecke scheint anfangs sehr eintönig zu werden, aber bald ist auch der Ruppiner Kanal, wie der Rhin hier genannt wird, mit wilden Ufern und viel Schilf gesegnet. Mitunter ist es sehr eng, ein paar Motorboote tuckern mir sehr langsam entgegen, und es ist ansonsten wieder sehr still und einsam. "Verlorenort" heißt hier eine Siedlung, wohl nur ein Gehöft, und danach Döringsbrück, wo einige Häuser sehr romantisch gelegen am Kanal und am Wald vor langer Zeit gebaut wurden.

Zum Wald steigt das Gelände einige Meter an, und an manchen Stellen ist die Böschung abgerutscht, so daß kleine Sandschwemme entstanden sind. Das sind die Stellen, die das Wild zum Überqueren des Kanals nutzt. Hier kann man auch mal pausieren, wenn man sonst am hohen Ufer auch nicht anlegen kann. 3 km flussabwärts liegt die Schleuse Hohenbruch, ich werde wieder einmal ganz allein durchgeschleust, der Schleusenwärter versucht, mich solange wie möglich im Gespräch aufzuhalten. Da es aber schon nach 17:00 Uhr ist und ich vielleicht noch zwei Schleusen vor 19:00 Uhr zu passieren habe, mache ich mich wieder auf den Weg. Ab hier gibt es auffallend viele Eisvögel, immer wieder erkenne ich auch ihre Niströhren in den steilen Hängen des Kanals. Die Schleuse Tiergarten habe ich dann gegen 17:45 Uhr erreicht und werde sofort geschleust. Der Schleusenwärter meint, die Schleuse Pinnow würde ich wohl nicht mehr schaffen und das Umtragen in Oranienburg sei kaum noch möglich: das macht mir nicht gerade Mut, aber ich denke, mir wird schon etwas Schlaues einfallen und bedanke mich für die Tipps.

Oranienburg erreiche ich um 18:25 Uhr, und nun schaue ich mir meinen Tourenatlas auch mal ganz genau an: wo kann man vom Rhin in die Havel (einen der vielen Havelkanäle...) umtragen? Wo ist ein geeigneter Wasserwanderrastplatz? Ich entscheide mich für das Umtragen am Ende des Ruppiner Kanals (Rhin), erst muss ich jedoch den Oranienburger Kanal kreuzen. Da ist auch schon das Ende des Kanals, doch eine Umtragestelle erkenne ich nicht, alle ist zugewachsen und wild. Ein paar Meter zurückpaddelnd frage ich ein paar Angler, wilde Typen auf den ersten Blick, wie es denn mit Umtragen aussieht: der eine meint, wenn ich möchte, könne ich in seinem Wohnwagen übernachten, der hier gerade in Ufernähe steht. Ich überlege kurz, nehme sein Angebot an. Die Umtragesituation läßt sich bei meinem derzeitigen Informationsstand nicht gut einschätzen, einen Weg für einen Bootswagen sehe ich nicht, und es dämmert auch schon. So setze ich mein Kanu aus und lasse mich in seinem Wohnwagen häuslich nieder.

Da ich keine Lust habe, mir noch etwas zu kochen, schaue ich in meinen Tourenatlas, wo der nächste Bahnhof zu finden ist. Dort könnte ich sicher einen Imbiss zu mir nehmen, denke ich. So laufe ich über weiche Wege durch Sumpfwald artige Landschaft, erreiche Straßen und schließlich den Bahnhof. Nachdem ich mich gestärkt habe, durchstreife ich noch ein wenig den Stadtrand von Oranienburg und versuche zu begreifen, welche Wasserläufe und Schleusen vorhanden sind. Auf der gegenüberliegenden Seite des Oranienburger Kanals läuft so etwas wie ein Volksfest mit Schlagermusik, ein paar beleibte Damen baden nackt im Kanal oder pinkeln an der Böschung . Sie fühlen sich wohl unbeobachtet oder der Alkohol hat sie von vielem befreit, was den normal zivilisierten Menschen in seinen Lebensäußerungen einschränkt oder weitgehend gleichschaltet.

Langsam schlendere ich zurück zu meiner Bleibe, es gibt hier viel Sumpfgebiet und Wildnis, obwohl man so nahe an der Stadt ist. (Früher war hier eine Nutriafarm, bis die Tiere kurz nach der Wende freigelassen wurden.)

Ich schlafe sehr gut, die Angler sitzen währenddessen am Ufer. Morgens esse ich erstmal Müsli mit H - Sahne zum Frühstück, packe alles schon sehr früh ein und schaue mir die Umtragestrecke an: früher hat es hier eine Schleuse gegeben, die zugeschüttet wurde. Die Paddler von Oranienburg haben danach eine Lorenbahn gebaut, die Schienen sind teilweise noch zu sehen, wo sie nicht von Weiden oder Sumpfpflanzen überwuchert sind. Dann komme ich schon zur Einsetzstelle in die Havel, einen Altarm der ehemaligen Friedrichsthaler Havel, die zur Zeit nach Norden nicht mehr befahren werden kann, da die Schleuse im 2. Weltkrieg ziemlich zerstört und anschließend zugeschüttet wurde. Das Gleiche gilt für den Havel - Altarm, auch der ist im Norden nicht mehr an die Havel bzw. Havel - Oder - Wasserstraße angeschlossen. In genau diesen will ich mein Kanu jedoch umsetzen, damit ich zum WSV - Möwe gelange, wo ich den Tag und die nächste Nacht verbringen möchte.