Kanu & Natur

ein persönliches Blog von Jürgen Clausen

Nach Nehringen zur Kranichsaison an die Trebel

Geschrieben am 06.10.2014 in Kanutagebuch (2014) , Kanutouren & Events —   Klappbrücke-Nehringen, Trebel (Geändert am 13.09.2017)

Teil 1 von 1 in der Serie Nehringen zum Kranichzug

Donnerstag, 2. Oktober

Nach einer Anfahrt von 250 Kilometern aus Kiel haben wir am Donnerstag Abend unser "Basislager" auf dem Wasserwanderrastplatz in Nehringen aufgeschlagen. Dieses kleine Dorf liegt in Vorpommern an der Trebel, etwa 15 Kilometer von der A20 entfernt. Dort sind wir bereits mittendrin in der Natur. 

Wasserwanderrastplatz Nehringen

Wasserwanderrastplatz Nehringen

Wir wissen, dass gerade jetzt, Ende September bis in die erste Oktoberwoche hinein, viele Zugvögel in den umliegenden Renaturierungsflächen rasten. Wir möchten uns daher hier ein paar Tage aufhalten und dieses ungewöhnliche Gebiet erkunden und die Natur genießen. 

Kraniche im Trebeltal

Kraniche im Trebeltal: Foto: Alexander Clausen

Als wir Nehringen erreichen, es ist bereits dunkel. Aus den Trebelwiesen schallen laute Kranichrufe zu uns herüber: nicht nur einige, sondern sehr viele Kraniche müssen es sein, die uns hier mit ihren Rufen begrüßen. Von Zeit zu Zeit veranstalten sie einen richtigen lauten Alarm. 

Wir essen noch zu Abend, dann unternehmen Alexander und ich einen kleinen Rundgang durch das Dorf und an die Trebel hinunter. Es ist noch recht warm, so um die 15 Grad.

Bald bereiten wir unser Nachtlager. Die Rufe hören nicht auf. In der Nacht muss ich mal raus. Ich bekomme Gelegenheit, einen Sternenhimmel zu genießen, wie man ihn in der Nähe größerer Orte niemals zu sehen bekommt. Es sind nicht nur mehr Sterne zu sehen, sie erscheinen auch erheblich größer, so dass man das Gefühl hat, dichter dran zu sein. Einige Kraniche rufen immer noch. Dann ist noch ein anderes, lautes von einem Tier verursachtesGeräusch zu vernehmen: aus dem kleinen Auen - Gehölz direkt vor dem Wasserwanderrastplatz ertönt der knarzende Ruf eines einzelnen Laubfrosches!

Freitag, 3. Oktober

Trebel bei Groß Methling

Trebel bei Groß Methling

Am Morgen herrscht Nebel, aber die Kraniche rufen und rufen. Bald kommen noch andere Töne hinzu: hier scheinen auch viele Blässgänse zu sein. Noch während wir frühstücken, fliegen einige Züge und auch Kleingruppen von Kranichen und Blässgänsen über den Wasserwanderrastplatz. 

im Burggraben

im Burggraben

Die Sonne durchdringt langsam den Nebel, zusammen mit den Rufen der Zugvögel baut sich eine sehr positiv-gespannte Stimmung auf: unsere Lust, endlich aufs Wasser zu kommen ist kaum noch zu steigern. Wir packen unsere Ausrüstung ins Kanu und schieben es auf dem Bootswagen die 200 Meter zur Trebel hinunter. 

Pause an der Trebel bei Annenhof

Pause an der Trebel bei Annenhof

Schon während wir unser Holzkanu an der Kanueinsetzstelle ins Wasser lassen, umkreisen uns einige Gänse. Als wir starten, fliegt ein Trupp von Kleinvögeln über das Wasser und landet im hohen Schilf neben uns. Dabei lassen sie ein mir bisher unbekanntes Rufen ertönen. Sie fliegen und verhalten sich fast wie Schwanzmeisen, sind jedoch deutlich größer. Alexander glaubt, Bartmeisen erkannt zu haben. Ein Foto bekommt er leider nicht.

Neuer Burggraben

Neuer Burggraben

Bei herrlichstem Wetter paddeln wir die Trebel abwärts. Wir passieren den Roten Brückengraben, paddeln langsam weiter an hohen Schilfwänden vorbei. Dabei beobachten wir wieder Bartmeisen, und ab und zu fliegen Kraniche und Blässgänse über uns. Auch den Neuen Burggraben treffen wir. Zweimal fliegt vor uns ein Eisvogel auf. Wir können einen Bisam beobachten, wie er eilig in den Uferbereich schwimmt und dort abtaucht. An vielen Stellen sehen wir Biberspuren, einmal sogar eine Burg direkt am Ufer der Trebel.

Fischadler im Trebeltal

Fischadler im Trebeltal

Auf der Höhe Annenhofs finden wir am rechten Ufer eine Anlandemöglichkeit, es scheint ein beliebter Anglerplatz zu sein. Einige alte Ruderboote liegen eingewachsen im Sumpf, Reste von Bootshäusern sind nur schwer zu erkennen.

Es gibt einen Trampelpfad nach Brudersdorf, ich wandere ein wenig umher und finde schöne Wildnis um mich herum. Es blühen noch einige Diesteln, sie haben Schmetterlinge angelockt. Auf einem kleinen Altarm schwimmen Enten. 

Wir essen unser zweites Frühstück, erfreuen uns am schönen Wetter bei jetzt deutlich über 20 Grad und würden am liebsten noch eine Weile hier bleiben. Aber ich möchte Gundula und Alexander so viel wie möglich von den umliegenden Renaturierungsgebieten im Trebeltalmoor zeigen. Zu diesem Zweck paddeln wir knapp zwei Kilometer zurück und biegen in den Neuen Burggraben ein. Zum Glück ist er frisch gekrautet worden.

Gleich am Anfang dieses schmalen Kanals fliegt wieder ein Eisvogel auf, der seinen Ansitz auf einer alten Silberweide gehabt hatte. Dort sind noch weiße Kotspuren zu sehen. Wir kommen an zwei Anglern vorbei, sie lassen uns freundlich passieren, obwohl wir sie hier an dem schmalen Gewässer stören. Einige hundert Meter weiter fliegt noch ein weiterer Eisvogel auf und düst über die Wasseroberfläche. An einigen Stellen blüht wieder Sumpfdotter, er ist nach dem Mähen des Uferböschung wieder in seinem satten Grün ausgeschossen. Eigentlich blüht diese Sumpfpflanze ausschließlich im frühen Frühjahr.

Wir paddeln diesen "Neuen Burggraben" so weit wir ohne Umtragen kommen: an einer Wegebrücke hindert uns ein quer liegendes Rohr. Wir landen an und verlassen unser Kanu. Ich bleibe in der Nähe, während Gundula und Alexander die Umgebung erkunden. Dafür wandern sie zu einem nahen Hochstand, von wo aus sie einen tollen Blick auf große Teile dieser Renaturierungsfläche haben.

Als ich mir ein wenig die Beine vertrete, schreckt direkt vor mir ein Reh auf, und kurz darauf kommt auch noch ein Graureiher angeflogen. Auf fast verblühten Disteln und Kletten sitzen Schmetterlinge und Falter, hauptsächlich der Kleine Fuchs und weit häufiger das Tagpfauenauge. Einige Schwalben haben, wie wir fast jedes Jahr erleben, noch nicht den Weg in den Süden gefunden. (wir sehen jeden Tag einige hier).

Dann kehren die beiden zurück, wir paddeln wieder zur Trebel. Auf den folgenden Kilometern bis zum Wasserwanderrastplatz Nehringen fliegen noch weitere Züge von Kranichen und sehr viele Gänse über uns. Wir entdecken einen Rotmilan, der auf den umliegenden Wiesen nach Kleintieren sucht. Auch ein Fischadler gibt sich die Ehre, er dreht sogar noch eine Extrarunde über unseren Köpfen, als wäre er neugierig. 

Zurück im Basislager kochen wir uns einen schönen Gemüseeintopf und sind zufrieden mit dem Erlebten. Während wir essen, kommen nach und nach die Kraniche und Blässgänse von ihren Futterplätzen auf den umliegenden Feldern zurück. Viele ihrer Züge fliegen direkt über uns in relativ geringer Höhe hinweg. Das gesamte Trebeltal ist erfüllt von ihrem Rufen! Allmählich färbt sich der Himmel rot, und es wird noch ein sehr schöner Abend.

Samstag, 4. Oktober

nasser Dammweg im Trebeltal

nasser Dammweg im Trebeltal

Heute wollen wir das große Renaturierungsgebiet vom Land aus erkunden. Es gibt einige wenige Wege, sie führen über ehemalige Dämme. Da sie teilweise überflutet sind, sind wir in Gummistiefeln unterwegs. 

Wasserfrosch

Wasserfrosch

Kaum sind wir am Rand angekommen, ertönen viele verschiedene Rufe von Vögeln, unter anderem hören wir Bartmeisen. Dann sehen wir sie auch, sie hüpfen und klettern in den hohen Reetwänden umher, die die Wege auf weiten Strecken von den Wasserflächen abschirmen. Mit viel Geduld gelingt es Alexander tatsächlich, einige Fotos zu machen.

Kürbisspinne

Kürbisspinne

Rechts und links dieses Reet gesäumten Damms liegen flache Wasserflächen, jede einige Hundert ha groß. Wasservögel fliegen zwischen den Gewässern hin und her, meist sind es Stockenten, Krick- und Pfeifenten. Wir sehen aber auch sehr viele Kiebitze, und ab und zu queren sogar Große Brachvögel den Damm. Ein Schwarm umfasst 23 Vögel, als wir sie später auf dem Foto zählen können. 

Wir entdecken Spuren von Rothirsch, Marder, Fuchs und Waschbär, die sich allesamt im Schlamm auf dem Damm eingedrückt haben und recht frisch sind.

Trebeltalmoor

Trebeltalmoor

Wo wir durch Lücken im Schilf freie Sicht auf die Wasserflächen haben, können wir in der Ferne Gänse, Kraniche und sehr viele Kiebitze entdecken. Als alle Vögel auf einmal auffliegen, vermuten wir sofort einen Seeadler als Störenfried. Tatsächlich sehen wir ihn kurz darauf am Himmel kreisen. Auch zwei Große Brachvögel lassen ihre typischen Pfeiftöne über der Weite des Trebeltals ertönen. Sie haben sich einem Kiebitzschwarm angeschlossen. Kraniche fliegen ganz dicht über unseren Köpfen, es sind hunderte, und laut erschallen ihre Rufe. Ich kann nicht beschreiben, wie intensiv ich dieses Schauspiel genieße. 

Tagpfauenauge

Tagpfauenauge

Ab und zu fliegen auch Bekassinen über uns hinweg. Ganz groß ist aber die Überraschung, als eine Bekassine ganz nah vor mir vom Weg auffliegt: sie war höchstens einen Meter von mir entfernt, aber ich sah sie erst beim Auffliegen. In den kommenden Stunden sehen wir noch weitere Bekassinen. Auch zwei Alpenstrandläufer geben sich die Ehre. Alexander wäre fast auf eine Ringelnatter getreten, wenn diese sich nicht in letzter Sekunde eilig aus dem Staub gemacht hätte. 

Bartmeise im Trebeltal

Bartmeise im Trebeltal: foto: Alexander Clausen

Auf den großen Flachwasserflächen stehen etliche Silbereiher, und diese lassen sich kaum von Greifvögeln aufscheuchen. Wir suchen uns einen Picknickplatz aus, lassen uns auf einer flachen Anhöhe nieder. Es ist warm, nur der Wind ist recht kräftig. Am Himmel fliegt ein Seeadler, ein zweiter taucht auf. Sie fliegen das Futterübergabe-Ritual, es ist wohl ein Paarbindungsverhalten. Sogar noch ein dritter Seeadler lässt sich sehen, kreist mit den beiden. 

Seeadler im Trebeltal

Seeadler im Trebeltal: Foto: Alexander Clausen

Mich krabbelt eine Spinne an, ich lasse sie auf meine Hand, um sie zu fotografieren. Es ist eine orangefarbige Kürbisspinne mit gestreiften Beinen!  Um uns herum bewegen sich verschiedene Schmetterlinge, Wasserfrösche und haarige Raupen. Wir sind mitten in der Wildnis, und wir lassen uns heute viel Zeit. Wir hören und sehen kleine Trupps von Diestelfinken. Sogar einen Schwarzmilan, einen Turmfalken und eine Rohrweihe können wir eine Weile beobachten.

Auf unserer Rücktour sehen wir schon die ersten Züge von Kranichen und Blässgänsen von ihren Futterplätzen zu ihren Schlafplätzen fliegen. Ihre Rufe werden immer kräftiger, und bald schallt wieder das gesamte Trebeltal. Auf dem Damm treffen wir wieder einige Bartmeisen, sie turnen im Reet umher.

Wir verbringen noch einen netten Abend am Wasserwanderrastplatz, und immer wieder fliegen Kraniche und Gänse über uns hinweg, was wir sehr genießen. So etwas ist auch für uns nicht alltäglich!

Sonntag, 5. Oktober  

In Nehringen an der Trebel

In Nehringen an der Trebel

Ich bin schon sehr früh wach, und kurz vor 7:00 Uhr mache ich mich auf den Weg zur Trebel hinunter. Die große Wiese Richtung Osten liegt noch im Nebel, aber dieser macht allmählich einem leichten Morgenrot Platz. Die Kranichrufe sind noch verhalten, fast wie in der Nacht. Auch über der Trebel liegt noch Nebel, die Klappbrücke schaut nur undeutlich daraus hervor. Zwei Autos mit Trailern stehen bereits auf dem Parkplatz, es haben also schon Angler ihre Boote ins Wasser gelassen. 

im Trebeltal bei Wotenick

im Trebeltal bei Wotenick

Das Rot der Sonne wird stärker, der Nebel zieht sich weiter zurück. Plötzlich schwillt das Rufen der Kraniche an, und ich sehe, wie sich auf einmal mehrere große Züge dieser vielen Gäste aus dem Norden in die Luft erheben. Bald entfernen sie sich von ihren Schlafplätzen, und ich bin sehr ergriffen davon, dass etliche Züge in meine Richtung fliegen, immer die Trebel aufwärts. Sie sind bald von allen Seiten um mich herum, und es werden immer mehr. Einige Krähen fliegen ratlos hin und her, die Kraniche knapp über ihnen.

im Trebel-Altarm bei Wotenick

im Trebel-Altarm bei Wotenick

Wieder fliegen einige Zweiergruppen über mir, zurück zu deren Lager. Ich stehe wohl eine ganze Viertelstunde einfach da, ohne mich zu bewegen, fassungslos und ergriffen. Dann mache ich einige Fotos, bevor ich zum Wasserwanderrastplatz zurück gehe.

Trebel vor Wotenick

Trebel vor Wotenick

Während wir frühstücken, überfliegen uns immer noch Kranichzüge. Bald kommen auch Blässgänse hinzu, und solange wir essen und danach unsere Sachen packen, ist viel Bewegung über unseren Köpfen. Auch einige Eichelhäher fliegen kreuz und quer über den Platz, wobei einer von ihnen versucht, wie ein Mäusebussard zu rufen. So etwas tun Eichelhäher oft, viele Zuschauer werden es nicht bemerken.

Wir packen alles ein, das Kanu aufs Autodach und checken aus. Heute wollen wir ein Stück bis Demmin fahren und dort bei der Kanueinsetzstelle Wotenick-Ausbau in die Trebel einsetzen und aufwärts paddeln. Wir haben nur wenige Kilometer zu fahren, und dabei sehen wir auf vielen Feldern hunderte von Kranichen stehen, wo sie sich an frischem Wintergetreide oder Maisresten laben. 

Wir setzen unser Holzkanu ein und paddeln ein Stück gegen die (sehr leichte) Strömung, bevor wir in eines der vielen Nebengewässer abbiegen. Die kommenden zwei Stunden erkunden wir diese Wildnis aus Wasser, Weiden, Erlen und Schilf. Da wir kaum aussteigen können, essen wir unser zweites Frühstück im Kanu, während wir einigen Eisvögeln, Schwänen, Enten und Kormoranen zuschauen. 

Danach paddeln wir noch eine Weile die Trebel aufwärts, bis wir oberhalb von Nossendorf umdrehen müssen, um gegen 16:00 Uhr wieder beim Auto sein zu können. Auch auf der Trebel selbst sehen wir noch Eisvögel. Die Temperaturen fallen von etwa 19.6 Grad am Mittag bis jetzt auf 16 Grad. Es ist immer noch bestes Wetter, wenngleich windiger als die Tage zuvor.

Auf unserer Rückfahrt erleben wir auf der A20 einen großen Stau, den wir aber elegant umfahren, indem wir eine nahe Autobahnabfahrt nutzen und erst 20 Kilometer weiter wieder auf die Autobahn fahren. Nach einigen Stunden sind wir in Kiel. Wir sind sehr beglückt, dieses lange Oktoberwochenende so gut genutzt und dabei das passende Wetter sowie die superschönen Naturerlebnisse gehabt zu haben

Nehringen zum Kranichzug

  1. Nach Nehringen zur Kranichsaison an die Trebel