Kanu & Natur

ein persönliches Blog von Jürgen Clausen

Frühlingspaddeln am 27. Februar

Geschrieben am 27.02.2014 in Kanutagebuch (2014) —   Schwentine (Geändert am 05.07.2017)

Für den heutigen Donnerstag sind etwa plus 10 Grad vorausgesagt, dazu soll es sonnig und schwach windig sein. Das wäre das beste Wetter seit vielen Tagen - und das beste, das kommen soll. Wir entscheiden uns dafür, heute ein paar Stunden auf dem Wasser zu verbringen. Die Wassertemperatur soll 6° C betragen (laut www.wassertemperatur.org, in der Ostsee gemessen). Somit paddeln wir heute das erste Mal ohne Kälteschutzkleidung. Sechs Grad bildet immer unsere Marke dafür.

Gegen Mittag holen wir unser Holzkanu aus unserem Bootshaus, unsere Einsetzstelle ist bald erreicht. Während wir uns ausrüsten, fliegen einige Graugänse paarweise über uns hin und her. Die ersten 500 Meter weht uns ein recht kühler Wind entgegen, erst am Ende des Rosensees, wird es still. Wir paddeln an einigen Stockentenpärchen vorbei, ein Gänsesäger-Männchen schwimmt ein Stückchen Ufer mehrfach ab, wie in einer Art Patrouille. 

Am Ende des Rosensees ist es windstill, das Wasser glatt. Auch der Straßenlärm hat abgenommen. In der Ferne hören wir einen Schwarzspecht rufen, und eine kurze Zeit verweilen wir an einer Stelle, um die Sonne zu genießen. Auf dem nahen Wanderweg bewegen sich nur wenige Menschen durch den hohen Buchenwald. 

Ufer der Schwentine im Auenwald

Ufer der Schwentine im Auenwald

Wir erreichen die Schwentine, die Strömung nimmt zu. Es wundert uns, dass nur sehr wenige Wasservögel unterwegs sind, immerhin sehen wir einige Blässhühner und Stockenten, letztere paarweise. Langsam paddeln wir auf die Halbinsel "Stumpfes Eck" zu, die Ufer sind an vielen Stellen mit leuchtend grünem Moos bedeckt. Zum Glück ist der Wasserstand immer noch recht hoch, so dass unsere Paddel tief genug eintauchen können. Bei niedrigen Wasserständen kann man hier, in der großen Kurve, nur außen paddeln. Jetzt geht es überall.

Baumläufer

Baumläufer

Die Strömung nimmt weiter zu, an einer Baumleiche ist der Flussquerschnitt soweit verengt, dass man nur mit viel Mühe aufwärts kommt. Nachdem wir diese Engstelle überwunden haben, lassen wir uns wieder mehr Zeit, so gut es die Strömung erlaubt. Jetzt sind wir in einem richtigen Auenwald, rechts und links stehen Erlen und Birken, es gibt einige Altarme, die jetzt auch ganz gut geflutet sind. Wir entdecken einen Baumläufer und einige Meisen. Die erste Singdrossel in diesem Jahr gibt ihr Bestes. Der Baumläufer lässt ein verhaltenes "Tock Tock" hören, während er auf der Baumrinde einer alten Erle nach Nahrung sucht.

An einer festen Uferstelle halten wir uns an einigen Trieben von alten Erlen fest. Alexander fotografiert einen weiteren Baumläufer, der längere Zeit und ohne Eile die großen Erlen um uns herum nach Fressbarem absucht. Auf einem über das Wasser ragendem Ast bewegt sich ein kleiner Vogel, der sich als Goldhähnchen entpuppt. Wir hören einen Buntspecht. Auch der kommt noch in unsere Nähe, so dass wir ihn fotografieren können.

Kaum paddeln wir weiter, zischt Gundula leise "Ruhe" - und deutet nach rechts. Dort stehen zwei Rehe, ein Bock mit kräftigem Gehörn und eine Ricke. Obwohl wir ihnen recht nahe sind, bleiben sie zunächst einfach ruhig stehen und schauen uns zu. Sie haben noch ihr graubraunes Winterfell, aber das beginnt stärker zu verfilzen. Sicher wird es bald ganz abfallen und dem rotbraunen Sommerfell Platz machen. Dann bewegen sie sich, und zwar in entgegen gesetzte Richtungen, aber durchaus nicht weit. Bald stehen sie wieder, der Bock schaut uns noch lange hinterher.

Altarm beim Auenwald

Altarm beim Auenwald

An der Insel beim Gut Rastorf müssen wir den linken Altarm paddeln, da rechts zwei Bäume den Weg komplett versperren.  Aber auch hinter der Insel liegt eine dicke, lange Erle, und da müssen wir ganz rechts, sehr nahe am Ufer vorbei. Es strömt hier wieder recht stark, so dass wir auf ganz kurzer Strecke die Schwentine in der Strömung queren müssen. Es gelingt uns durch gehörigen Krafteinsatz, und hinter diesem Hindernis sind wir wieder in ruhigem Wasser. 

Ein Schellentenpärchen fliegt auf und landet ein Stück vor uns wieder im Wasser. Das wiederholen die beiden noch ein paarmal, bis sie in einer großen Runde über uns rüber fliegen. Bald darauf fliegt auch ein Gänsesägermännchen über uns hinweg. 

Gut Rastorf

Gut Rastorf

Das Wasser steht hier so hoch, dass die Wiesen beim Gut Rastorf fast noch überschwemmt sind. An manchen Stellen könnte man tatsächlich über die Wiese paddeln. Da rechts nur flache Wiesen sind, kann der Wind hier noch ein wenig ausbremsen. Bald wird es wieder ruhiger, und der links von uns liegende Wald bietet uns manch netten Vogelgesang. Ein Rotkehlchen lässt ihr sanftes Lied erklingen, ein Zaunkönig schmettert seine deutliche Reviermarkierung in den Wald. Zwei Spechte klopfen, einen können wir längere Zeit beobachten. Sogar einen Schwarzspecht können wir noch einmal deutlich vernehmen.

Als der Wald fast vorbei ist, hören wir einen Bussard rufen. Wir schauen nach oben - und sind ziemlich verblüfft, dort einen Seeadler zu erblicken. Er zieht in mehr als hundert Metern Höhe seine Kreise. Wir schauen ihm eine Weile hinterher, bis er außer Sicht gelangt ist. Den Bussard können wir danach auch noch eine Weile beobachten, dann einen weiteren. 

Seeadler über der Schwentine

Seeadler über der Schwentine: drei von vier

An einer Wiese, die etwas höher liegt als die vorherigen und die ein betretbares Ufer gebildet hat, legen wir erneut an und steigen für eine Weile aus dem Kanu. Es gibt Tee und einige Kekse, Alexander macht auch einige Fotos. Dabei entdecken wir wieder den Seeadler, dann plötzlich einen weiteren und zu unserer großen Freude noch zwei weitere! Sie segeln ihre Runden in größerer Höhe, und ab und zu verlieren wir sie fast aus den Augen, bis sie vor einer weißen Wolke wieder in Sicht kommen. Wir beobachten die vier Seeadler eine Weile, bis sie immer kleiner werdend dann vollends aus unserem Blickfeld verschwinden. 

Schwentine vor Preetz im Vorfrühling

Schwentine vor Preetz im Vorfrühling

Bald sitzen wir wieder in unserem Holzkanu. Da es flott strömt, muss ich nur ein wenig steuern, für den Vortrieb muss ich gar nichts tun. Selten treffen wir ein weiteres Kanu. So kommen wir die gesamte Rücktour gut voran, viel zu schnell geht es. Ab und zu gibt es wieder Vögel zu beobachten, Wacholderdrosseln und noch einen Baumläufer. In derartigen Situationen paddle ich rückwärts oder halte mich am Ufer fest. Wo die Sonne heute nicht hingekommen ist, ist es so kalt, dass wir uns fast genötigt sehen, Handschuhe anzuziehen. An der Halbinsel "Stumpfes Eck" fotografiert uns ein Radfahrer, nachdem er uns freundlich gegrüßt hat. 

männlicher Gänsesäger

männlicher Gänsesäger

Als wir wieder auf den Rosensee treffen, ist es mit der Strömung ganz vorbei, und wir müssen fleißig paddeln. Alexander fotografiert noch zwei Gänsesägermännchen, ein drittes war auch noch anwesend gewesen, hatte aber frühzeitig die Flucht vorgezogen. Das tun die beiden anderen dann auch noch. Als wir die Kanu-Einsetzstelle erreichen, ist es bereits 15:30 Uhr, und bald haben wir das Kanu auf unserem Auto und die Ausrüstung drin verstaut. Ins Bootshaus fahren wir nicht, da wir hoffen, die kommenden Tage wieder irgendwo aufs Wasser zu können. 

Geschrieben in Kanutagebuch (2014)