Kanu & Natur

ein persönliches Blog von Jürgen Clausen

Renaturierte Recknitz im Juli 2010

Geschrieben am 19.07.2010 in Kanutagebuch (2010) , Kanutouren & Events —   Recknitz, Trebel (Geändert am 13.09.2017)

Am Samstag, den 10. Juli fuhren Alexander und ich nachts um halb ein Uhr von Kiel in Richtung Bad Sülze. Die Fahrt war angenehm ruhig, da in der Nacht kaum noch Urlauberverkehr war, obwohl in verschiedenen Bundesländers gerade die Sommerferien aus den Startlöchern kamen.

Wir parkten am Wasserwanderrastplatz direkt am Wehr. Schon vor 4:30 Uhr saßen Alex und ich in unserem Holzkanu. Fast war es noch dunkel, aber Alex machte schon Fotos. Ganz leise paddelten wir stromaufwärts. Diese Strecke war ich schon seit 2005 nicht mehr gepaddelt und daher war ich ganz gespannt darauf, wie sich die Wildnis hier nach der Renaturierung 2001 entwickelt hatte. In den ersten Jahren war die Vegetation noch etwas zaghaft, aber das war jetzt total anders: es gab sehr viel mehr Pflanzenarten, sehr viel höheres Schilf, mehr Biber und im Schilf sangen erheblich mehr Vögel als früher: wir unterschieden Drosselrohrsänger, Schilfrohrsänger, Teich (oder Sumpf? - ich weiß es immer noch nicht)rohrsänger und Rohrammern. Auf einigen kahlen Bäumen konnten wir bisweilen einen Neuntöter sitzen sehen. Es gab auch etliche Jungvögel, die auf Futter warteten und Eltern, die ihre Jungen mit Futter lockten.

Es wurde heller und heller, und bald konnten wir immer tiefer ins klare Wasser blicken. Wir freuten uns schon auf die Rücktour, wo es uns wahrscheinlich möglich sein würde, ganz tief hinein zu schauen, da die Sonne im Juli lange Zeit ziemlich senkrecht stehen würde. Die Temperaturen stiegen auch immer weiter, es war gerade so zu ertragen. Wir genossen die Stille, und oftmals hielten wir einfach an, um Tiere zu beobachten oder Pflanzen zu bestimmen. In Schabow beim "Roten Haus" legten wir eine kleine Pause ein.

Unser Ziel, das Ende der Renaturierungsstrecke erreichten wir gegen 10:00 Uhr, und an der Einstiegsstelle am Wehr zogen wir unser Kanu an Land, schnappten uns unsere Liegestühle und unser Essen, das wir von Zuhause mit gebracht hatten: es gab Frikadellen und Tabule. Dann schliefen wir ein paar Stunden im Schatten, heiß war es allerdings trotzdem. Vorher hatten wir die Gelegenheit, ein Mauswiesel zu beobachten, das einige Male den Weg kreuzte. In der Ferne hörten wir auch Kraniche, im Wald direkt bei uns waren Mönchsgrasmücken am Singen, auf der Brücke am Wehr fotografierten wir eine Goldammer.

Als wir erwachten, war es gegen Mittag und noch heißer. Wir zogen uns Schutzkleidung an und setzten breite Hüte auf, um uns gegen die starke Sonnenstrahlung zu schützen. Gleich nach dem Ablegen besuchte uns eine Bachstelze, die auf einer Ansammlung von Seerosenblättern nach Kleinlebewesen jagte. Wie erwartet, war die Sonne so hell, dass wir das Gefühl hatten, in einem Aquarium zu paddeln.

große Barbe in der Recknitz

große Barbe in der Recknitz

Zwischen den flutenden Schwaden (dünne sich stark verzweigende kleinere Wasserpflanzen), den Wasserschrauben (bandähnliche Unterwassergewächse), Hornblatt und Flutendem Hahnenfuß sowie auf und unter den See- und Teichrosenblättern konnten wir buchstäblich überall kleine bis mittelgroße Fische entdecken, und manchmal kamen uns Lederkarpfen, Spiegelkarpfen, Barben und Barsche in Speisefischgröße recht nahe. Auch Hechte sahen wir immer wieder einmal zwischen den Wasserpflanzen stehen. Der größte war etwa 60 cm, der kleinste nur 12 cm lang.  Es war eine reine Freude, alles ganz in Ruhe zu beobachten. Wir waren von den Eindrücken fast überwältigt.

kleiner Hecht in der Recknitz

kleiner Hecht in der Recknitz

Der Tag verging langsam, und es dauerte ewig, bis wir wieder in Bad Sülze angekommen waren. Dabei war es nie langweilig, und Alex machte sehr viele Fotos. Einige Paddler überholten uns, aber insgesamt waren es nicht mehr als zehn Kanus, die wir getroffen haben.

Gegen 18:00 Uhr kamen wir am Wasserwanderrastplatz an, packten alles ein, gingen duschen und fuhren dann zu einem kleinen Wasserwanderrastplatz an der Recknitz kurz vor der Mündung zum Übernachten.  Am Sonntag fuhren wir dann noch zur Trebel nach Bassendorf, wo wir ebenfalls ein paar glückliche Stunden im Kanu verbrachten. Dann ereilte uns ein sehr starkes Gewitter mit sehr heftigen Sturmböen und Starkregen. Wir überstanden es gut, paddelten meist im "Windschatten" des hohen Schilfes am Ufer. Der Regen war teilweise derart stark, dass es wie Nebel aussah und man nicht einmal zehn Meter weit hätte sehen können.

Dann waren wir wieder in Bassendorf angekommen und trockneten unsere Sachen. Gegen Abend fuhr ich Alexander zum Bahnhof nach Rostock, da er zum Studium wieder nach Kiel musste. Ich selbst war dann noch eine ganze Woche unterwegs, paddelte hier einen Tag und da einen Tag, recherchierte Einsetzstellen und Übernachtungsmöglichkeiten etc. und kam dann am folgenden Wochenende wieder in Kiel an. Es kam mir vor, als wäre ich den ganzen Sommer draußen gewesen. Ich freue mich sehr auf die kommende Kanutour mit unserem Holzkanu, die ich dann zusammen mit Gundula unternehmen werde.

Geschrieben in Kanutagebuch (2010) , Kanutouren & Events