Kanu & Natur

ein persönliches Blog von Jürgen Clausen

Auf der Schwentine in Kiel und Schwentinental am 3. Oktober

Geschrieben am 03.10.2018 in Kanutagebuch (2018) —   Schwentine (Geändert am 19.10.2018)

Kanadagänse

Kanadagänse

Am 3. Oktober möchte ich von Wellingdorf aus endlich wieder die Schwentine aufwärts paddeln. Im Sommer kam ich nicht dazu, da ich genügend Aufgaben bei FlussInfo an anderen Gewässern hatte.

Für heute sind bis zu 13 Grad vorher gesagt worden, aber dazu starker Wind 4-5 Bft und in Böen bis 7. Mir ist klar, dass es stellenweise anstregend werden kann, aber gefährlich wird es nicht werden. 

Villa an der Schwentine

Villa an der Schwentine

Zunächst habe ich böigen Rückenwind, als ich die Schwentine aufwärts paddle. Ein Ausflugsschiff kommt mir entgegen. Ich halte mich ganz rechts, damit der Wind mich nicht irgendwo hin drückt, wo ich nicht hin möchte. 

Als das Schiff sich nähert, sehe ich, dass der Chef, Herr Kühl, selbst am Ruder steht. Als wir in Rufweite sind, begrüßen wir uns und tauschen uns kurz aus. Es ist seine letzte Tour in diesem Jahr.

Begegnung mit dem Ausflugsschiff der Schwentinetalfahrt

Begegnung mit dem Ausflugsschiff der Schwentinetalfahrt

Beschwingt setze ich meine Fahrt fort und erspähe Sperr- und Hinweisschilder zur aktuellen Brückenbaustelle. Hier erneuert die AKN gerade die Eisenbahnbrücke der Bahnlinie, die demnächst sogar bis nach Schönberger Strand führen soll. Ich hoffe, dass man die Pfeiler in der schönen Klinkerbauweise belässt bzw. wieder herstellt. 

Als ich die Baustelle passiere, wundere ich mich über laute Radio-Musik, die offensichtlich aus dem Baustellenbereich stammt. Zu sehen ist jedoch niemand. Allerdings steht ein (sehr teures) Laser-Nivelliergerät auf dem neuen Betonaufsatz. Ich denke mir, jemand bewacht die Baustelle, macht aber gerade Mittagspause.

Eisenbahnbrücke Kiel-Oppendorf

Eisenbahnbrücke Kiel-Oppendorf

Vor der "Weißen Brücke" bei Oppendorf paddle ich zufällig recht weit links an einem grünen Teppich aus Entengrütze vorbei. Dabei schrecke ich auf, als "etwas" für ganz kurze Zeit aus dem Grün schießt und wieder verschwindet. Ich ahne, dass es ein Zwergtaucher war, und dann passiert es wieder und wieder und noch einmal, bis ich genügend Abstand geschaffen habe, um das Tier nicht mehr zu stören. Bei den wiederholten Auftauchmanövern hatte ich ganz deutlich erkennen können, dass ich es hier tatsächlich mit einem Zwergtaucher zu tun habe! 

Fußgängerbrücke zwischen Wellingdorf und Oppendorf

Fußgängerbrücke zwischen Wellingdorf und Oppendorf

Einige Paddler kommen mir entgegen. Ich selbst möchte eine kurze Pause einlegen und wähle dafür das niedrige, feste Ufer nahe dem Wanderweg bei Oppendorf. Unter einer schönen Hainbuche, die ihre breit ausladenden Äste einige Meter über den Fluss wachsen lässt, lande ich an. Ihre Blätter sind bereits in Herbstlaune, also leicht gelb-orange gefärbt. 

kleine Pause am Wanderweg

kleine Pause am Wanderweg

Ich paddle bald weiter. Ab der Stadtgrenze Kiels zu Schwentinental-Klausdorf habe ich keinen Wind mehr. Ein Kajak kommt mir mit zwei Personen entgegen. Ein älteres Pärchen fährt an mir vorbei, und die Dame hinten ist mir bekannt, da sie in unserer Post arbeitet. Wir grüßen uns freundlich.

Ein gutes Stück aufwärts entdecke ich eine Schildkröte, die auf einem umgefallenen Stamm sitzt und so die letzten warmen Tage genießt. Ich halte genügend Abstand, um sie nicht zu stören, mache ein Foto aus der Ferne.

die Schwentine bei Klausdorf

die Schwentine bei Klausdorf

Direkt danach treffe ich ein jüngeres Pärchen in zwei Kajaks. Man erkennt an meinem Kanu die FlussInfo-Aufschrift und spricht mich auf FlussInfo an. Wir haben noch ein längeres Gespräch, bevor jeder wieder seiner Wege paddelt. Ich freue mich immer sehr, nette Leute zu treffen, die unsere Arbeit auf FlussInfo wertschätzen.

Schildkröte an der Schwentine

Schildkröte an der Schwentine

An der Abzweigung entscheide ich mich dafür, rechts der Insel zu paddeln, da es dort sonniger ist. Es ist auch für mich immer wieder interessant, dort entlang zu paddeln, wo ich 11 Jahre gewohnt habe. Hinter der dortigen Halle steht ein großer Bagger sowie ein Skylift. Dort werden wohl größere Veränderungen ins Haus stehen.

Erle, vom Schwarzspecht ausgehöhlt

Erle, vom Schwarzspecht ausgehöhlt

Auf der Insel links von mir sehe ich etliche Spuren von Wildschweinen, und auch "Gleiten", wo sie durch das Wasser gehüpft oder geschwommen sind. Eine dicke tote Erle hat einem ausdauernden Schwarzspecht als Nahrungsquelle gedient: an vielen Stellen hat er auf der Suche nach Larven etc. große längliche Löcher hinterlassen.

die Schwentine bei Flüggendorf

die Schwentine bei Flüggendorf

Ich lande kurz an der Stelle an, mache mein Kanu fest und trinke einen Tee. Hinter mir höre ich etwas platschen, und dort ist soeben ein Graureiher im Wasser gelandet, ein Stück vom Ufer entfernt. Er stakst ans Ufer, aber als er mich wahrnimmt, fliegt er erst einmal in Richtung Gut Oppendorf davon.

die Schwentine nahe der Oppendorfer Mühle

die Schwentine nahe der Oppendorfer Mühle

Nach meiner kurzen Teepause paddle ich frisch gestärkt weiter aufwärts. Im Gegensatz zu normalen Jahren gibt es hier immer noch so gut wie keine Strömung. Dafür erwischt mich der Wind seitlich, aber das passiert nur für etwa hundert Meter. 

Im weiteren Verlauf der Schwentine erfreue ich mich daran, dass die Ufer immer wilder und natürlicher werden. Umgefallene Weiden sind wieder ausgeschlagen. Manche haben Triebe von 4-5 Metern Länge. Als ich mich schon wundere, bisher noch keinen Eisvogel zu sehen bekommen zu haben, dauert es nicht lange, bis einer in voller Pracht, direkt von der Sonne angestrahlt über die Wasseroberfläche  vom linken zum rechten Ufer fliegt. Das war ja fast eine Punktlandung, freue ich mich. Kaum bestellt, schon geliefert.

kurz vor erreichen der Oppendorfer Mühle

kurz vor erreichen der Oppendorfer Mühle

Mit frischer Energie paddle ich weiter aufwärts und denke bei mir, so weit zu paddeln, wie es ohne besondere Anstrengung möglich ist. Auf diese Weise bin ich bald am Anlegesteg der Schwentinetalfahrt vorbei, und es strömt immer noch nicht richtig. Aber flacher ist es hier schon als in nicht so trockenen Jahren. Es schauen Steine aus dem Wasser, über die man sonst einfach hinweg paddelt.

Schwentine nahe der Oppendorfer Mühle

Schwentine nahe der Oppendorfer Mühle

Tatsächlich komme ich mit Leichtigkeit bis zur Kurve am Wasserwerk. Normalerweise wird es ab hier sehr anstregend, aber heute nicht. Es strömt zwar flott, aber ich komme voran. Fast habe ich die Brücke bei der Oppendorfer Mühle erreicht, als ein Stein mein Boot zur Seite drückt und die Strömung dieser Sohlschwelle mich erreicht. Jetzt könnte ich noch an der Einsetzstelle / Umtragestelle anlanden, aber das möchte ich gar nicht. Ich halte mich am nächsten Ast einer Kastanie fest, um ein Foto machen zu können und überlasse dann mein Kanu für einen kurzen Moment der Strömung.

Oppendorfer Mühle erreicht

Oppendorfer Mühle erreicht

Dann wende ich geschickt. Einige Stockenten schwimmen direkt vor mir und lassen sich nicht stören. Ich steuere nur, lasse mein Kanu so weit wie möglich einfach nur treiben. Eine Gruppe in Kajaks kommt mir entgegen, an einem steht irgend etwas mit "Bramsche" als Heimatverein. Man grüßt sich freundlich. 

Der nächste Eisvogel löst sich von seinem Ansitz, und ich schaue ihm einige Sekunden hinterher. Da ich mal muss, lande ich an einer Uferstelle an, die bei normalen Wasserständen nicht betretbar ist. Jetzt ist eben alles anders. 

Schwentine unterhalb der Oppendorfer Mühle

Schwentine unterhalb der Oppendorfer Mühle

Schwentine unterhalb der Oppendorfer Mühle

Schwentine unterhalb der Oppendorfer Mühle

Allmählich denke ich an die Endlichkeit dieses Tages, wobei es ja nur noch 4 km sind bis zur Einsetzstelle. Aber eine richtige Pause (in der Sonne!!) will ich auch noch einlegen. An der Spitze der Insel kann ich zum Glück anlanden. Das war hier lange Zeit nicht möglich, da die auf der Insel hausenden Wildschweine alles aufgewühlt hatten. Das hat sich inzwischen ein wenig zurecht gewachsen. Ich esse eine Kleinigkeit und trinke meinen Tee aus der Thermoskanne.  Dabei lausche ich einem Grünspecht, dessen spöttelnde Rufe aus Richtung Gut Oppendorf ertönen.

Findlinge in der Schwentine

Findlinge in der Schwentine

Als ich wieder im Kanu sitze, wird der Wind kräftiger, wie ich in den hohen Erlen deutlich vernehmen kann. Aber noch bin ich hier gut geschützt. Dieser Durchstich bei Klausdorf wird von Jahr zu Jahr wilder und sieht nicht mehr so kahl aus wie noch vor einigen Jahren. Als ich wieder den Hauptverlauf erreiche, wo links der Klausdorfer Kanuverein beheimatet ist, fliegt aus der Weide am linken Ufer ein Eisvogel auf - und ein zweiter gleich hinterher. Es könnte ein Pärchen sein, oder es sind Geschwister. Erwachsene Jungvögel, die zusammen aufwuchsen, fliegen in manchen Fällen noch eine Weile zusammen, wie wir immer wieder beobachten konnten.

die Schwentine unterhalb der Oppendorfer Mühle

die Schwentine unterhalb der Oppendorfer Mühle

Als ich wieder die Stelle passiere, wo auf meiner Hintour die Schildkröte in der Sonne saß, sehe ich sie dort immer noch, obwohl es deutlich kühler geworden ist. Ein Stück danach erwischt mich eine Windböe, und die ist so stark, dass ich alle Kraft benötige, um einigermaßen auf Kurs bleiben zu können. Für ein paar hundert Meter bleibt mir der Wind erhalten, bis der Verlauf der Schwentine eine Kurve beschreibt. Aber ab hier wird es allgemein windiger und es gibt nur noch selten einen stillen Abschnitt.

Pause an der Spitze der Insel bei Klausdorf

Pause an der Spitze der Insel bei Klausdorf

Schwentine-Durchstich bei Klausdorf

Schwentine-Durchstich bei Klausdorf

kräftige Windböe bei Klausdorf

kräftige Windböe bei Klausdorf

Bald komme ich zur Weißen Brücke, auf der einige Leute vom Wanderweg freundlich grüßen. Damit ich nicht durch eine Böe gegen einen der Pfeiler gedrückt werden kann, steuere ich rechts der Pfeiler nahe dem Ufergehölz hindurch. Die Enten, an denen ich nahe vorbei muss, stört es erwartungsgemäß nicht. Sie schnäbeln eifrig weiter im Grünzeug.

Dort, wo ich auf meiner Hintour den Zwergtaucher im Grün sah, blicke ich mit großer Aufmerksamkeit an den Schilfrand. Mein Verdacht bestätigt sich, und dort halten sich zwei Zwergtaucher in der Abendsonne auf. Einer ist auf jeden Fall ein Männchen, und er trägt noch sein Prachtkleid - mit seinem lustigen Federhäubchen. Beide genießen die Sonne und tauchen zu meiner großen Freude nicht weg.

zurück in Oppendorf

zurück in Oppendorf

Schwentine bei Oppendorf

Schwentine bei Oppendorf

Fußgängerbrücke bei Oppendorf

Fußgängerbrücke bei Oppendorf

Von der Baustelle der Einsebahnbrücke höre ich bereits aus der Ferne die Arbeitsgeräusche eines großen Winkelschleifers und einer Kettensäge. Auch das Stromaggregat tönt recht laut in die Umgebung. Rechts arbeiten zwei Leute an den Brückenpfeilern, und links sehe ich sogar drei Männer in orangenen Anzügen! Dass am Feiertag solche Arbeiten gemacht  werden müssen, zeugt doch von sehr großem Termindruck. (Auf meinem Nachhauseweg treffe ich dann diese Leute in ihrem auffällig beschrifteten Firmenwagen kurz nach 17:00 Uhr!).  Ich hoffe, der Vorgesetzte hat ihnen wenigstens eine Pizza und heißen Kaffee gebracht.

Auf dem letzten Stück geht es mit dem stark böigen Wind noch einmal richtig zur Sache, so dass ich doch recht viel Kraft aufwenden und ziemlich tricky paddeln muss, um auf Kurs bleiben zu können. 

16 Grad warm

16 Grad warm

Als ich meine Einsetzstelle unter der großen Straßenbrücke der B503 erreichte, halten sich an der Einsetzrampe mehrere Schwäne, Gänse und Enten auf. Die sind aber klug genug, um sofort (aber langsam!) die Einsetzstelle zu räumen, als sie bemerken, dass ich auf sie zu paddle. Als ich anlande, frischt der Wind noch mehr auf. Ich lade alles ins Auto und muss nun mein Kanu auf das Autodach bringen. Mir ist klar, dass mich dabei keine Böe erwischen darf. So etwas darf einfach nicht passieren.

Ich bereite alles vor, und kurz nach einer Böe nutze ich eine kleine Pause des Winds, um so rasch wie es geht und extrem gespannt mein Holzkanu aufs Autodach zu heben. Dabei lege ich es schräg von der Seite zuerst auf den vorderen Träger, damit es weniger lange in der Luft ist als gewohnt, wenn ich es von hinten aufschiebe. Wäre eine Böe gekommen, hätte sie mich und das Boot einfach gegen das Auto gedrückt anstatt frei wirken zu können. Bei derartigem Wetter ist alles nicht so einfach wie gewohnt. 

Arbeiter an der Brückenbaustelle am Feiertag

Arbeiter an der Brückenbaustelle am Feiertag

Während meiner Aktion nehme ich wahr, dass auf dem Parkplatz ein paar Leute ihr SUP-Board aufpumpen. Ich höre eine männliche Stimme und die eines Kindes. Ich realisiere, dass die Leute jetzt, bei dem äußerst gefährlichen Wind, auf ihre Boards gehen wollen. Als ich dorthin wandere, wo sie gerade aufbauen, erkenne ich, dass das "Kind" eine asiatische Frau ist. Sie hat eben eine hohe Stimmlage und ist recht kurz gewachsen. Der Mann hat fast eine europäische Statur. Ich frage die beiden, ob sie aufs Wasser wollen, und ich will sie warnen. Sie erklären mir, sie hätten das Board gerade gekauft und wollen es nun ausprobieren. Da sie kein Deutsch sprechen erkläre ich ihnen auf Englisch, dass das Wetter gerade überhaupt nicht für derartige Aktionen geeignet ist. Als die Frau mir nicht glauben will, empfehle ich ihr, sich mal einige Minuten ans Ufer zu stellen. Allmählich begreifen sie beide wohl doch, dass sie besser auf mich hören sollten, anstatt eine Extremerfahrung zu machen. Sie brechen ihr Vorhaben ab und packen ein. Sie bedanken sich noch bei mir.

Es ist bereits nach 17:00 Uhr, und ich fahre nach Hause. Ich freue mich üher diese Tour sehr, auch wenn es am Ende ziemlich anstrengend war.

wieder bei der Einsetzstelle unter der B 503 Brücke in Wellingdorf

wieder bei der Einsetzstelle unter der B 503 Brücke in Wellingdorf

Geschrieben in Kanutagebuch (2018)