Kanu & Natur

ein persönliches Blog von Jürgen Clausen

Obere Eider am 27. Juli

Geschrieben am 28.07.2019 in Kanutagebuch (2019) —   Obere-Eider, Schleswig-Holstein-paddeln (Geändert am 05.08.2019)

Eidertal bei Blumenthal

Eidertal bei Blumenthal

das FlussInfo-Holzkanu an der Einsetzstelle

das FlussInfo-Holzkanu an der Einsetzstelle

Blutweiderich am Ufer der Eider

Blutweiderich am Ufer der Eider

Für den heutigen Samstag bin ich seit langem mit einer guten Freundin zum Paddeln verabredet. Die Wahl des Gewässers mussten wir wegen langfristiger Terminplanung offen lassen, und da es heute sehr windig sein wird, brechen wir früh auf und haben statt einer eigentlich bevorzugten Seentour die Obere Eider im schönen Tal oberhalb Flintbeks gewählt.

Wir setzen bereits vor acht Uhr bei der Einsetzstelle in Flintbek ein. Der Wasserstand sieht ganz gut aus. Gegen leichte Strömung paddeln wir unter der Straßenbrücke hindurch und am Freibad vorbei, wo bereits die ersten Schwimmgäste nach ihrer Sportaktivität zurück zum Parkplatz gehen.

Konik-Pferde an der Eider

Konik-Pferde an der Eider

Verkrautung auf der Oberen Eider

Verkrautung auf der Oberen Eider

Anfangs sehen wir kaum Wasserpflanzen in der Eider. Stattdessen entdecken wir an Hindernissen angeschwemmtes Schnittgut, das wie relativ frisch abgeschnittenes Pflanzenmaterial aussieht. Die Eider wurde also gekrautet, und wir haben großes Glück, dass wir hier nicht in einer Krautsperre hängen bleiben.

Bald ändert sich die Situation jedoch: ab hier ist die Eider recht dicht bewachsen. Es gibt Teppiche aus Igelkolben, Schwanenblumen, Glanzgras, Brunnen- und Sumpfkresse sowie Teichrosen. 

 

Teppiche von Igelkolben in der Eider

Teppiche von Igelkolben in der Eider

aufrechter Igelkolben in der Eider

aufrechter Igelkolben in der Eider

Wir sind sehr überrascht, als plötzlich ein Greifvogel mit relativ dunklem Gefieder auffliegt, der sich direkt am rechten Ufer aufgehalten haben muss. Sekunden danach fliegen zwei weitere auf, und langsam dämmert es mir, dass wir es gerade mit drei jungen Bussarden zu tun haben!

Sie drehen noch ein paar kleine Runden über der Wiese am linken Ufer, bevor wir sie aus den Augen verlieren, da wir recht ordentlichen Einsatz gegen die Strömung und meist seitlichem Wind zeigen müssen. Wegen der Verkrautung können wir auch nicht einfach dem Flussverlauf folgen, sondern müssen uns ständig eine Route suchen, wo am wenigsten Kraut wächst.

kleiner windstiller Abschnitt auf der Eider

kleiner windstiller Abschnitt auf der Eider

Die Sonne wärmt nun auch bereits recht kräftig, und ich bin froh, durch Hut und lange Kleidung gut geschützt zu sein, wobei es mir eigentlich zu warm ist. Aber der kräftige Wind verhindert, dass ich schwitzen muss.

An den Ufern bewundern wir die schönen Stauden und Sumpfpflanzen, deren Anblick uns den ganzen Weg über begleitet. Blutweiderich, Weidenröschen, das kleine Sumpfvergissmeinnicht und die bereits erwähnten Kresse - Arten machen aus dem Eidertal ein kleines Paradies. Es blüht auch bereits das Mädesüß: einige Pflanzen direkt am Ufer, aber die meisten auf den uns umgebenden Wiesen. Auch die gelben Blüten des Jakobs Kreuz-Krauts leuchten weit durch das Eidertal. Es ist giftig, aber die hier weidenden Robustrinder und Urpferde-Rückkreuzungen (Koniks) scheinen es nicht zu fressen. Deren Instinkte funktionieren demnach noch ganz gut. Bei normalen Haustieren haben deren Besitzer viel Arbeit damit, diese eigentlich sehr schönen Pflanzen von den Weiden zu entfernen. 

An einer schönen Uferstelle am linken Waldrand legen wir eine Pause ein, wo wir die belegten Brötchen verzehren, die meine liebe Mitpaddlerin freundlicherweise morgens noch frisch gemacht hat.

das Eidertal bei Böhnhusen

das Eidertal bei Böhnhusen

Robustrinder an der Eider

Robustrinder an der Eider

Vor einer Kurve liegt ein großer Baum seit Jahren in der Eider, und von einem kahlen Ast kurz über dem Wasserspiegel sehe ich zwei Eisvögel auffliegen! Auch sie könnten Jungvögel sein, da Eisvögel ansonsten meist allein unterwegs sind. Geschwister dagegen sieht man im Sommer häufiger als Paare. Ich bin darüber sehr erfreut und hoffe, sie noch einmal zu sehen zu bekommen. 

Unsere weitere Tour führt uns noch einige Kilometer die Eider aufwärts durch das schöne Eidertal. Fotos gelingen nur noch selten, da wir ordentlich mit Wind, Strömung und Verkrautung beschäftig sind. In einer Kurve liegt eine Weide quer, aber wir können uns unter ihrem dicksten Ast hindurch zwängen. Einige stark störende Zweige an diesem Ast entferne ich dabei kurzerhand mit einer kleinen Säge.  

In der Ferne hören wir immer wieder das Knattern und Kreischen hoch drehender Motoren. Dort befindet sich ein Parcours für Gelände-Motorräder, und heute scheint es eine Veranstaltung zu geben. Es dauert den gesamten Tag an. Wir sind aber weit genug entfernt, als dass es uns konkret stören würde.

zunehmende Wildnis der Eider

zunehmende Wildnis der Eider

Nach einigen Stunden erreichen wir fast Schmalstede, und da die Eider hier doch recht breit und gerade ist, legen wir eine kurze Pause ein, um den weiteren Verlauf unserer Kanutour zu planen. Wir kommen überein, eine schöne Rastmöglichkeit zu nutzen, die ein Stück abwärts an einem leichten Hügel am Waldrand liegt. Da wir meist Gegenwind haben und dieser noch weiter zunimmt, dauert es eine Weile, bis wir am Wurzelwerk einer der beiden kahlen Birken anlanden, die dort am ansonsten recht hohen Ufer das Aussteigen ermöglichen.

Der Wind bläst jetzt ordentlich, die Sonne scheint kräftig, und so suchen wir einen schattigen Platz, der uns auch genügend Windschutz bietet. Schatten finden wir unter einer großen Birke, aber für Windschutz müssen wir selbst sorgen: wieder einmal muss unser Anglerschirm dafür herhalten. Der Stab wird dafür tief in den Boden gerammt, und zusätzlich befestigen wir den großen Schirm noch mit Bändern und Gummies an einer unserer Kisten. 

Picknick an der Eider

Picknick an der Eider

Essenspause mit Nudelsalat und Würstchen

Essenspause mit Nudelsalat und Würstchen

Wir legen unsere Picknickdecke aus und bereiten unser Essen vor. Meine Mitpaddlerin hat größere Mengen von Nudelsalat mit selbst gemachtem Pesto zubereitet, und dazu soll es Geflügelwürstchen geben. Ich baue den Gaskocher zusammen und koche einen Liter Wasser, in dem die Würstchen danach ohne Flamme in wenigen Minuten erwärmt sind. Wir genießen unser Essen so langsam, wie es möglich ist.

Nach unserem reichhaltigen Mahl entspannen wir uns noch eine Weile bei schönstem Wetter. Der Wind rauscht in den Bäumen, so dass es sich beinahe wir Meeresrauschen anhört. Über uns fliegt zunächst ein Kolkrabe, der einen Greifvogel verjagt. Danach kreisen fünf Möwen direkt in etwa 50 Metern Höhe über uns, und die bleiben bis zum Ende unserer Pause, kreisen immer wieder und rufen wie am Meer. Außer ein paar Ameisen lassen uns auch die Insekten in Ruhe unser Essen und unsere Entspannungspause genießen. Im nahen Teich schwimmt ein Schwan so ruhig vor sich hin, dass man ihn fast für unecht halten könnte. Ab und zu hören wir die nahe Eisenbahn und auch noch etwas die Motorräder aus der ehemaligen Kiesgrube Schmalstede. Der Wind ist noch stärker geworden.

Diese Einsamkeit und Ruhe entspannt so gut, dass es uns recht schwer fällt, diesen Platz zu verlassen und unsere Rücktour anzutreten. 

Picknickplatz an der Eider

Picknickplatz an der Eider

Bald sitzen wir wieder im Holzkanu, und uns ist bewusst, dass wir jetzt bei sehr starkem Wind mit heftigen Böen die vier Kilometer bis zum Freibad zu schaffen haben. Aber das Wetter ist ja ansonsten sehr schön. Eine kleine Ringelnatter überquert die Eider und lässt sich noch eine Weile am rechten Ufer zwischen den Wasserpflanzen beobachten. Meine Mitpaddlerin entdeckt auf einem alten Eichenpfahl am linken Ufer einen ihr unbekannten Vogel. Sie hat zu unserer großen Freude einen Neuntöter beobachten können! Der bleibt auch lange genug sitzen, um ihn ausgiebig betrachten zu können, bevor er dann doch noch auffliegt. Einige Pfähle weiter sehe ich dann einen weiteren, und auf Grund von dessen Färbung halte ich ihn für einen Jungvogel. 

Gegenwind auf der Eider

Gegenwind auf der Eider

Die Eider mäandriert hier recht stark durch das Tal, und daher bekommen wir den Starkwind immer wechselnd zu spüren: meist mehr oder weniger schräg von der Seite, aber auch von vorn und ganz selten von hinten. Damit wir trotzdem einigermaßen durch das Kraut navigieren können, müssen wir sehr schnell gegensteuern und uns manchmal sogar vom Ufer abstoßen, wenn es mal nicht anders geht. 

Auf einem wahren Teppich aus Wasserpflanzen halten sich Bachstelzen auf. Es ist eine Familie, eine Erwachsene sowie mehrere Jungvögel. Drei von ihnen sind noch recht bräunlich, während eine bereits auf dem Wege zu der kontrastreicheren Schwarz-Weiß-Färbung ist.

Für ganz kurze Zeit sehe ich sogar einen Eisvogel, und immer wieder fliegen Schwalben über unser Kanu und die Eider entlang. Kurz vor Flintbek entdecke ich einen Flussuferläufer, der sich ebenfalls auf dem Pflanzenteppich aufgehalten hat und nun ein Stück vor uns auffliegt. Die jungen Bussarde kreisen über einer Wiese neben der Eider, und meine Mitpaddlerin und ich freuen uns sehr, sie noch einmal zu sehen zu bekommen.

Für unsere Rücktour benötigen wir mehr als zwei Stunden, obwohl es nur vier Kilometer sind. An der Einsetzstelle sitzen zwei junge Männer. Sie machen uns freundlich Platz und halten sogar unser Kanu fest, während wir es entladen. 

Für uns geht ein ganz besonderer Paddeltag zu Ende. Das Wetter war trotz des Starkwinds bestens, und unsere Stimmung blieb sehr gut. Ich freue mich ganz besonders darüber, dass die Renaturierungsmaßnahmen im Eidertal mehr und mehr zur Wildnis-Entwicklung führen. Die gesamte Kanutour über trafen wir nicht einen einzigen Menschen. Dabei sind wir doch nahe an einem Ort und sogar am Rand einer großen Stadt.

Beim Auf- und Einladen lassen wir uns viel Zeit, und nach einem sehr schönen Ausflug in die Natur liefere ich meine Mitpaddlerin beglückt wieder zu Hause ab. Die Autofahrt ist insgesamt nur sehr kurz, und ich ertappe mich wieder einmal dabei, viel zu langsam zu fahren. Das liegt natürlich daran, dass ich mich den ganzen Tag über auch sehr langsam vorwärts bewegt habe. Davon muss ich mich erst einmal wieder entwöhnen.

Aufladen und festspannen des Holzkanus

Aufladen und festspannen des Holzkanus

Geschrieben in Kanutagebuch (2019)