Kanu & Natur

ein persönliches Blog von Jürgen Clausen

Von Pantlitz bis Bad Sülze

Geschrieben am 05.10.2005 in Kanureisen (2005) —   Fischotter, Recknitz (Geändert am 05.07.2017)

Teil 2 von 5 in der Serie Silberhochzeitstour 2005

War es gestern Abend frisch gewesen, kann man heute Morgen schon fast von kalt sprechen: wir haben klaren Himmel, bestes Wetter und eine Temperatur in der Größenordnung von etwa 4°C, als wir gegen 8:00 h aufwachen.  Ich mache als erster meinen Klappspatengang. Dabei genieße ich die stille Natur um mich herum, lausche zwei Dompfaffs, die sich an Ebereschenbeeren gütlich tun. Ein Zaunkönig schmettert seine Reviermarkierung in die fast golden leuchtende Sonne. Eine Weile berausche ich mich an diesem kleinen Naturschauspiel in der schon recht gut wärmenden Morgensonne, dann wandere ich wieder zu unserem Zelt zurück.

Ich bereite unseren Morgenkaffee, serviere ihn Gundula frisch an den Schlafsack mit den Worten "Zimmerservice!". Nachdem wir ihn gemeinsam genossen haben, mache ich Frühstück, während Gundula sich pflegt und ankleidet. Dieser kleine Biwakplatz ist wirklich etwas ganz Besonderes, da es still und einsam ist. Allmählich begreifen wir, dass wir in einer sehr abgeschiedenen Region unterwegs zum Paddeln sind.

Wir lassen uns bei allem sehr viel Zeit, und so sitzen wir auch erst nach elf in unserem Kanu. Die Recknitz strömt extrem langsam, und wir paddeln gemütlich aufwärts. Eine gute Stunde später erreichen wir den Beginn des Naturschutzgebiets:  ein Schild gebietet Sperrung für Motorboote, und unsere Gewässerkarte TA6 teilt uns mit, dass wir die Ufer die nächsten 14 km nicht betreten dürfen.

Recknitz vor Gruel

Recknitz vor Gruel

Rechts und links stehen Erlengehölze, und hinter der nächsten Kurve geschieht es: ein Fischotter schwimmt quer über die Recknitz, sein Schwanz bewegt sich schlangenartig durch das Wasser auf und nieder. Ganz gebannt schauen wir ihm zu, dann erklimmt er das rechte Ufer und kriecht durch das dichte Gestrüpp aus unserem Blickfeld. Das füllt uns mit großen Glück, und mit einem Genießergefühl im Bauch paddeln wir weiter. Von den erwarteten Bibern sehen wir nur Spuren: die untrüglichen Bibergleiten mit ihren unverwechselbaren Fußabdrücken, Nagespuren an verschiedenen Erlen und ab und zu herausgerissene Wasserpflanzen.

Dieser Otter bleibt nicht der Einzige: die nächsten Kilometer sehen wir noch zweimal einen im Wasser schwimmen und einmal direkt am Ufer einen durch das lange Gras kriechen. Die nächsten Kilometer sind wir immer in einer gewissen Anspannung, aber es ist so wie immer: das Ereignis tritt immer dann ein, wenn man gerade nicht daran denkt. Das passiert uns mehrere Male, und so wird der ohnehin urtümliche Flussabschnitt der Recknitz zwischen Tressentin und etwas oberhalb Marlow auch noch lange als der Fischotter-reichste Fluss in unserer Erinnerung bleiben.

Pausenplatz beim Langen Berg an der Recknitz

Pausenplatz beim Langen Berg an der Recknitz

Trotz Uferbetretungsverbot machen wir eine ausgedehnte Pause: es gibt nahe dem Ochsenberg eine Uferverbauung, die dazu dient, das Kraut im Sommer aus der Recknitz zu holen und ab zu fahren. Wir denken uns: wo ein Bagger und LKW hinfahren darf, dürfen wir auch pausieren. Das tun wir dann auch ausgiebig, dabei beobachten wir kleine Käfer, Spinnen und Frösche. Als wir weiterpaddeln, ist es bereits nach 16:00 h.

Die nächsten Kilometer paddeln wir vergnügt an Marlow vorbei, dann ziemlich schnell durch das verschilfte, vollkommen gerade Stück Recknitz zwischen Marlow und Bad Sülze. Dort, wo nur hohe Wände von Schilf zu sehen sind, treffen wir sogar einen Eisvogel und dann noch einen Fischotter. wir sind sehr verblüfft, dass hier trotzt der Flussbegradigung und der hohen Schilfufer so viel zu erleben ist. Einen Menschen haben wir die ganze Zeit allerdings nicht gesehen, nicht mal beim Wasserwanderrastplatz Marlow, der dort neben den Grundstücken des Angelvereins liegt.

Wasserwanderrastplatz an der Recknitz beim JAM in Bad Sülze

Wasserwanderrastplatz an der Recknitz beim JAM in Bad Sülze

Gegen 19:00 h sind wir in Bad Sülze, die Fahrt vor der ersten Brücke haben wir erstmals richtig Strömung, dafür wenig Wasser. Wir schaffen es aber bis hoch zur Sohlschwelle, die sich direkt unter der Brücke befindet und müssen hier aussteigen und unser Kanu treideln. Es ist kein Problem, da man eine Holzbohle neben der Sohlgleite installiert hat. Als wir wieder einsteigen, treffen wir einen Paddler, der sich allein in einem riesigen Gatz-Kanu übt. Er scheint da zu wohnen, legt an einem Steg an und verschwindet, bevor wir ihn begrüßen und Smalltalk halten können.

Wir paddeln noch ein paar hundert Meter bei Bad Sülze durch die Wiesen, während es immer dunkler wird. Am Wasserwanderrastplatz angekommen, bauen wir schnell unser Zelt auf, bevor wir uns beim JAM anmelden und dann ins nahe Restaurant begeben und eine Pizza verspeisen. Es wird nur ein kurzer Abend, bald sinken wir auf unsere Isomatten. Auch hier ist es ruhig, selten hören wir mal ein Auto oder Menschen. Die körperliche Anstrengung tut ihr übriges, bald schlafen wir tief und fest.