Kanu & Natur

ein persönliches Blog von Jürgen Clausen

Elbe-Havel-Rundtour

Geschrieben am 11.08.2013 in Kanutagebuch (2013) —   Elbe, Havel, Havelberg, Untere-Havel (Geändert am 05.07.2017)

Ende Juli befinden wir uns auf der Rücktour einer Rundreise durch unsere Kanureviere in Brandenburg. Wie so oft wollen wir auch dieses Mal etwas Kurzweil schaffen, indem wir noch mal schnell eine besondere Kanutour unternehmen. Spontan entscheiden wir uns für einen Besuch der Havelmündung, da uns auch interessiert, was noch vom vergangenen Hochwasser von vor einigen Wochen zu sehen ist und welche Folgen es gehabt hat.

Wir fahren von der Oder bei Schwedt los, werfen noch einen Rundblick vom Richterberg bei Stützkow an der Hohensaaten-Friedrichsthaler-Wasserstraße (Höhe mehr als 70 Meter über NN) über den Nationalpark Unteres Odertal und erreichen einige Stunden später die Untere Havel bei Strodehne. Da haben wir bereits die ersten Überbleibsel der Überflutung gesehen: in Wiesen  und sogar manchen niedrig gelegenen Maisfeldern steht noch Wasser in Senken, und je weiter wir nach Havelberg kommen, umso öfter sehen wir Wiesen, die noch von verrottenden Pflanzen und Schlamm überdeckt sind. 

Ich hoffe, dass sich jemand von den Bewohnern des Havellandes findet, der die Administration verklagt, die das Öffnen des Wehrs in Quitzöbel/Neuwerben verantwortet hat. Zur Erinnerung: Die Elbe stand 4-6 Meter über dem mittleren Wasserstand und es drohte große Schäden in Orten elbabwärts wie Lauenburg. Da hat man mal soeben ein paar Liter in die Havelniederungen abgelassen. Konkret ist es doch so: an der Elbe hat man versäumt, was an der Havel seit Ewigkeiten ganz normal ist, nämlich dem Fluss Raum zu lassen für Hochwasserereignisse. Stattdessen hat man die Elbe so eng wie es nur ging eingedeicht und nach den Sommerfluten 2002 und 2007 nur wenig zurück gebaut. Man setzt die Bewohner der Havelniederung in Angst und Schrecken und beraubt sie ihrer Sicherheit, anstatt im Elbetal die notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Die Leute sollten sich juristisch zur Wehr setzen und die Sache nicht auf sich beruhen lassen!

Wir werfen noch einen Blick von der Beobachtungsplattform, die auf der Straße zwischen Jederitz und Havelberg steht, dann fahren wir auf die Spülinsel, melden uns beim Havelberger WSV an. Deren Vereinsgrundstück liegt direkt neben dem Campingplatz und besitzt einen sehr guten Zugang zum Winterhafen mit einem tollen Schwimmsteg. Der Havelberger WSV bietet Übernachtungsmöglichkeiten auf den Zeltwiesen und in Bungalows an, es gibt beste Duschen und sogar einen Kühlschrank. Da es immer noch fast 30° C heiss ist, kommt uns der sehr gelegen. 

Nachdem wir unsere Zelte aufgebaut haben, decken wir uns im nahen Netto mit Lebensmitteln ein. Wir machen uns einen nahrhaften Salat, so richtig mit viel Feta und Oliven, und essen dazu Baguette. Kochen ist irgendwie nicht drin. Die Idee einer Abendtour auf der Unteren Havel verwerfen wir bald, da sich die Mücken schon wieder angriffslustig zeigen und wir keine Lust haben, uns schon wieder mit Chemie vollzuklatschen, um eine Abwehrwand gegen Blutsauger zu bilden. In Wahrheit flüchten wir relativ früh ins mückendichte Zelt. Der Straßenlärm in Havelberg ebbt auch allmählich ab. Auch wenn man davon weit entfernt ist, sind die Fahrzeuge doch gut zu hören.

Am Donnerstag Morgen ist es bereits früh recht warm, was uns dazu bringt, unsere Frühstücksroutine inkl. des Vorbereitens eines Picknicks an der Elbe sehr langsam durchlaufen zu lassen. So ist es bereits nach 10:00 Uhr, als wir in unserem Holzkanu sitzen und um die halbe Spülinsel herum zur Schleuse paddeln. Am Anleger gegenüber putzt ein älteres Pärchen sein Wohnschiff mit Heimathafen Hamburg, es sieht aus wie ein ausgebautes Ausflugsschiff. Es liegen auch Miet-Wohnschiffe und ein paar Flöße im Winterhafen von Havelberg. 

Rotmilan

Rotmilan

Als wir in den Schleusenkanal einbiegen, hören wir aus den Bäumen rechts von uns seltsame, unbekannte Töne: zuerst ein ziemlich voller Träller, dann etwas, das auch von jungen Katzen stammen könnte. Wir schauen uns um, dann entdecken wir einen großen Vogel auf einem trockenen Ast: er sieht aus wie ein Milan, nur mit erheblich geringerem Kontrast in der Färbung seines Gefieders. Bald melden unsere Ohren noch einen weiteren Jungvogel, und der fliegt bettelnd um die Bäume. Als wir dann den dazu passenden Altvogel sehen, ist es klar, dass es sich um Rotmilane handelt. 

Schleuse Havelberg

Schleuse Havelberg

Es ist sehr warm, unser Thermometer zeigt knapp 30° C. Tagsüber sind wir immerhin von Mücken und Bremsen weitgehend verschont. Die Schleuse ist offen, eine Motoryacht wartet auf die Schleusung. Kaum sind wir in der großen Schleusenkammer, schließt sich das Tor und langsam strömt Wasser von der Elbe in die Schleuse. Der Wasserspiegel steigt hier etwa um einen halben Meter, dann wird das Tor zur Elbe aus der Ferne geöffnet (diese Schleuse wird von Rathenow aus bedient). Wir versuchen das System zu verstehen: die Havel fließt in die Elbe, doch hier müssen wir mit Elbwasser angehoben werden? Des Rätsels Lösung: ohne technische Veränderung würde das Havelwasser gegenwärtig insgesamt 50 cm höher stehen, eben auf Elbniveau. Was für ein technischer Trick kann aber dazu führen, dass das Havelwasser trotzdem bei leichterem Elbhochwasser in die Elbe fließen kann? Die Auflösung ist gemial-einfach. Ich zitiere mal meinen eigenen diesbezüglichen Text aus www.flussinfo.net: 

"Der Gnevsdorfer Vorfluter als einer der künstlich angelegten Mündungsarme der Unteren Havel hat noch einmal 1,65 m Gefälle auf ca.11 km. Dadurch erreichte man, dass noch Havelwasser abfließt, wenn die Elbe Hochwasser führt. So gibt es bei der Wehrgruppe Neuwerben-Quitzöbel am westlichen Wehr bereits einen Rückfluss, erkennbar an den undichten Stellen, wo Elbewasser in die Havel sprudelt, während die Havel am östlichen Wehr noch munter abfließt".

Havelberg Schleusenkanal

Havelberg Schleusenkanal

Das ganze ist also möglich, weil die Havel bei Quizöbel weniger Gefälle hat als die Elbe. Das Gefälle der Elbe bekommen wir nun bald zu spüren: kaum sind wir auf diesem schönen, breiten Fluss angekommen, werden wir fast auf unsere gewohnte Reisegeschwindigkeit gezogen. Das sind ca. 5 km/h, und ich denke, die Strömung ist noch etwas schneller, da es ja immer etwas Schlupf gibt. 

Elbaufwärts quert lautlos die Fähre Werben (Räbel) den Strom. Auf uns zu treibt ein kleines Motorboot, ein Mann lässt sich die Elbe abwärts treiben, hat seinen Außenbordmotor hochgeklappt. Ab und zu steuert er mit einer Art "Stechpaddel", und für eine Weile halten wir uns aneinander fest, um uns über Fahrziele etc. auszutauschen. Wir erfahren, dass er aus Zehdenick kommt und noch einen weiten Weg vor sich hat: er will noch über Cuxhaven hinaus in die Nordsee, an der Küste entlang und über Dortmund-Ems-Kanal und Mittellandkanal wieder nach Brandenburg zurück. Wir sehen eine beeindruckende Ausrüstung, das meiste sieht selbst gemacht aus. 

Elbe bei Werben

Elbe bei Werben

Wir treiben schneller als er, bald sind wir dort angelangt, wo wir am westlichen Ufer picknicken wollen. Unterhalb einer Buhne landen wir an einer Sandbank außerhalb der kräftigen Wasserwirbel an.  Die Weiden am Ufer zeigen an, dass das Elbe-Hochwasser in diesem Frühsommer wohl etwa 4 Meter höher war als der gegenwärtige Pegel. Wir machen es uns gemütlich und verspeisen ein paar Äpfel, Möhren und Kekse. 

Elbestrand bei Werben

Elbestrand bei Werben

Dabei beobachten wir natürlich den Verkehr auf der Elbe: zuerst kommt ein kleines Kajütmotorboot stromaufwärts gefahren, es fährt gemütlich und ist relativ leise. Es folgen ein Raser mit einem Speedboot sowie eine große Motoryacht, beide machen einen ohrenbetäubenden Krach. Bald sind sie aber hinter der nächsten Kurve verschwunden. Dann kommt ein richtig großer Brummer: ein Schubverband mit zwei Frachteinheiten quält sich regelrecht gegen die Strömung die Elbe hoch, und gerade hier muss es auch noch von einer stramm links nach einer stramm rechts liegenden Fahrrinne wechseln. Es geht etwa im Fußgängertempo, und viel Platz bleibt zwischen den Tonnen nicht. Natürlich schafft es der Flussschiffer trotzdem.

Elbe nahe Neuwerben beim Mauseloch

Elbe nahe Neuwerben beim Mauseloch

Nach unserem Picknick lassen wir uns weiter treiben, genießen den schönen Ausblick auf das Deichvorland mit den Stränden am Ufer zwischen den Buhnen und die höheren Ufer der Insel zwischen Havel und Elbe. Etwa hundert Graugänse queren die Elbe, Motorboote kommen nicht mehr. Wir machen uns noch Gedanken über die Strömung und wie wir es schaffen wollen, elegant in die Havelmündung einzubiegen, da bremst die Elbe plötzlich ihre Strömung auf höchstens 1-2 km/h ab. Hier liegen wohl neue Sandbänke, von der Havel angeschleppt. Insofern paddeln wir ganz einfach von der Elbe in die Havelmündung bei Neuwerben. Vor der Wehrgruppe Quitzöbel setzen wir aus, tragen unser Holzkanu und die Ausrüstung die eine Böschung hoch und die andere, an der Havel, wieder hinunter. Dabei holen wir uns extrem schlammige Füße. 

In der Umtragezeit fahren viele Fahradfahrer über die (geschlossene!) Wehrgruppe, manche machen dort Pause. Da ich bereits sehr oft dort war, kenne ich jeden Winkel und ich wundere mich: wieso wandert niemand der Fahrradfahrer mal kurz zur Elbe, setzt sich dort auf eine Bank mit dem kleinen Wäldchen im Rücken und genießt die wunderbare Aussicht auf die breite Elbe mit ihren tollen Sandbänken und die Mündung der Havel? Menschen sind oft sehr seltsam.  

Beim Wiedereinsetzen nutzen wir statt einer Steinböschung eine Betonkante, die ein wenig wie eine Kaimauer aussieht. Um unser Holzkanu zu schonen, hole ich einige Zweige aus dem Gehölz, auf dem wir unser Kanu seitlich slippen. Als wir weiter paddeln, sind es weit über 30°, und es weht kaum ein Lüftchen. Wir sehen einige Angler am nördlichen Ufer, dann paddeln wir am Gelände und am Hafen der Bundeswehr vorbei. Auf einem alten Strommast erkennen wir einen hoch aufgeschichteten Horst, der wird sicher einem der Fischadler gehören, die man hier regelmäßig zu sehen bekommt. 

Wir ereichen Nitzow, steigen am Anleger kurz aus, um uns die Beine zu vertreten. An der Badestelle sind einige Kinder im Wasser aktiv und eine sehr korpulente Frau schwimmt umher, sich dabei lautstark mit zwei Männern unterhaltend, die auf einem Motorboot stehend angeln, das vor der Insel in etwa 100 Meter Entfernung zu ihr liegt. 

Mir wird die Paddelei so anstrengend in der Hitze, dass ich mal für einige Minuten ans Ufer möchte. Bei der Gelegenheit essen wir noch eine Kleinigkeit. Wo wir anlanden, liegen viele beim letzten Hochwasser angeschwemmte Bäume. Für die letzten 4 Kilometer reiße ich mich nochmal ordentlich zusammen, und wir kommen recht erschöpft im Winterhafen von Havelberg beim Wassersportverein an. 

Dort duschen wir erstmal ausgiebig, bevor wir gemeinsam Essen machen und es ruhig und im Schatten bei immer noch knapp 30° verspeisen, obwohl es bereits Abend ist. Wir planen noch den kommenden Tag durch, dann machen wir uns bettfein. Als ich noch einen kurzen Blick über den niedrigen Zaun zum Hafen werfe, sehe ich ein Lebewesen schwimmen: es entpuppt sich als Biber, als recht großer sogar. Er schwimmt ein ganzes Stück parallel zum Ufer, bis er ohne zu platschen einfach abtaucht. 

Am kommenden Morgen reisen wir ab. Wir fahren über Werben, da wir unterwegs noch vom Aussichtsturm auf dem Höhbeck bei Gartow (nahe Gorleben) einen Blick über das Elbetal werfen wollen.  Der Tag ist ebenfalls sehr heiß, und wir sind froh, einige Stunden später wieder zuhause zu sein. Unsere Rundtour hat genau 13 Tage gedauert.

Geschrieben in Kanutagebuch (2013)