Kanu & Natur

ein persönliches Blog von Jürgen Clausen

Sonntagstour auf Peene und Trebel

Geschrieben am 08.08.2013 in Kanutagebuch (2013) —   Peene (Geändert am 05.07.2017)

Ich hatte diese Woche im Peenetal zu tun und habe nun Wochenende. Nachdem ich bereits gestern eine schöne Morgentour von Aalbude aus unternommen habe, bin ich heute an der Trebel, da ich in Wotenik geschlafen habe.

Bereits kurz nach acht Uhr liegt mein Holzkanu abgeladen an der Einsetzstelle. Ich rüste mich für ein paar Stunden aus, das Wetter ist freundlich. Es gibt Sonne, ein paar Wolken und fast nur schwachen Wind. Meine Welt ist in Ordnung. Also lasse ich mein Kanu mit langsamen Paddelschlägen die Trebel hinab in Richtung Demmin gleiten. Strömung gibt es erwartungsgemäß kaum. Eine Insel aus schwimmendem Wasserschwaden (Gras, das im Wasser wachsend schwimmt) kommt mir mit dem Wind entgegen.

Unterwegs auf dieser einsamen Trebel, die hier fast nur sumpfige Ufer aufweist und keinen Blick auf die Örtlichkeiten seitlich des Talrands zuläßt, kann man alles sonstige, Wichtiges und Unwichtiges, komplett vergessen. Hier ist Natur, nichts sonst, und sie ist durch die Angliederung dieses Teils der Trebel in das "Naturschutzgebiet Peenetal von Salem bis Jarmen" besonders geschützt. Das bedeutet in der Theorie: die Ufer dürfen nicht betreten werden (das können sie ohnehin nicht); Nebengewässer dürfen nicht befahren werden (in die kommen wir aber hier ohnehin nicht hinein). In der Praxis ändert das Gesetz kaum etwas: Angler angeln legal vom Motorboot aus wie bisher. Verantwortungsbewusste Paddler werden ohnehin keine Pflanzen herausreißen oder andere einpflanzen, man wird in Anbetracht der schönen Natur ohnehin keinen unnötigen Lärm machen und man wird die Tiere nicht mehr als nötig stören.

Mir kommt tatsächlich ein kleines Motorboot mit einem angelnden Mann entgegen, und an der Einsetzstelle stand auch ein Trailer, es haben also an diesem Morgen noch andere Frühaufsteher hier eingesetzt, wohl ebenfalls zum Angeln.

Peene bei Demmin

Peene bei Demmin

Bei noch so langsamen Paddelbewegungen kann ich nicht verhindern, nach etwa einer Stunde an der Peene anzukommen. Ich bin also in Demmin. Von der Stadt sehe ich hier allerdings überhaupt nichts, und da es sonntags kaum LKW-Verkehr gibt, höre ich auch nichts. Wohin will ich mich nun wenden? Als ich mir diese Frage stelle, kommt mir eine Idee: Demmin ist ja bekanntlich von viel Wasser umgeben, was läge da näher, als dass nette Freizeitaktivitäten wie Besuch eines Biergartens, eines Restaurants oder Cafes am Wasser oder sogar vom Wasser aus stattfinden könnten? Ich stelle mir also vor, ich wäre ein Demminer Bürger, säße im Kanu und wäre nun dabei, eine Gastronomie-Tour zu unternehmen. 

Ich paddle mit diesem Gedanken also freudig in Richtung der Demminer Innenstadt: hier könnte man ja hoffen, eine gastronomische Einrichtung am Wasser zu finden, oder? So komme ich an einer Wasserbaustelle vorbei: ich weiß, dass hier demnächst eine neue Marina eröffnen soll. Gegenwärtig ist aber noch nichts in Betrieb, es wird schon noch werden, ich kenne den Bauherrn als ehrgeizigen und erfolgreichen Mann (er kommt aus Bremen). Allmählich komme ich zum Hafen, hier auch "Bollwerk" genannt. Das Wort ist eine Verballhornung von "Bohlwerk", früher waren Hafenanlagen und andere Befestigungsanlagen am Wasser natürlich aus Holz, aus Pfählen und Bohlen.

Links am Bollwerk liegen einige polnische Motorfrachtschiffe, sie warten sicher darauf, mit Getreide vom letzten Jahr beladen zu werden, damit die Silos Platz haben für die frische Ernte. Auf beiden Seiten des Peene-Hafens stehen Angler, obwohl das Angeln hier verboten ist. Aber was sagt das schon. Ich paddle weiter, komme unter der Kaldenbrücke hindurch und bemerke, wie das Peene-Ausflugsschiff von Kapitän Müller gerade startet. Am nahen Freilichtmuseum "Hanseviertel" paddle ich vorbei, kann gerade noch lesen, dass hier ein Eingang vom Wasser zum Imbiss gewesen ist. Das ließe hoffen, wenn dieser Eingang nicht geschlossen wäre. So ist es der Imbiss sicher auch. Ich denke: wie schön könnte es doch sein, wenn hier, mitten in Demmin, am kleinen Park neben der Anlegestelle für das Ausflugsschiff oder im Hanseviertel ein Cafe oder Biergarten wäre! 

Am nächsten Anleger links im Altarm vor dem Kreisheimatmuseum hat es einmal eine Pizzeria gegeben, ein recht gut erhaltenes Schild weist noch heute darauf hin. Von größeren Motorbooten aus könnte man unvermittelt dorthin gelangen, man müsste nur anlegen, aber: es wurde vor längerer Zeit geschlossen, das Restaurant bzw. die Pizzeria gibt es nicht mehr.

Ich träume weiter, komme an Vorstadthäusern vorbei, deren Grundstücke so groß sind, dass dort, in den tatsächlich existierenden Teehäusern, Ausschank und Gastronomie stattfinden könnte. Könnte! Denn tatsächlich kann ich noch ohne Ergebnis weitere schöne Grundstücke abpaddeln, hinaus aus Demmin, zum Vorort Deven am Devener Holz gelegen. Früher gab es dort Ausflugsgaststätten, etwas höher am Hang gelegen, aber die beherbergen heute einträglichere Geschäfte: Behinderte sind dort untergebracht, die garantieren ein sicheres Einkommen. Ich lege einfach an einem Anglerplatz an knabbere einige trockene Kekse.

Peene, Vorwerker Schweiz bei Demmin

Peene, Vorwerker Schweiz bei Demmin

So weit ich auch paddle, zuletzt bis zur Vorwerker Schweiz, nirgendwo kann ich auch nur eine Spur dieser Urbanität entdecken, die mit Ausflugsmöglichkeiten am Wasser einher gehen kann. Man könnte doch Cafe-Flöße bauen, die einfach vor dem Wochenende an den Stadtrand gezogen werden, jeweils in die vier Flussabschnitte von Peene, Trebel und Tollense, so dass man diese mit Booten besucht, sich dort auf ein Pläuschen trifft oder einfach abhängt.

Nachdem ich bei km 27 umgedreht und zurück gefahren bin, denke ich: wenigstens die Insel, die direkt in der Tollensemündung liegt, oder das Grundstück vom "Haus Demmin" könnte doch für Wassergastronomie taugen!! Aber der Versuch, diese Insel mit meinem Holzkanu zu umrunden, scheitert nach ein paar hundert Metern an Wasserpflanzen, die diese Inselumfahrung verhindern. Für Wassergastronomie müsste man diese Pflanzen beseitigen und ein wenig von der Insel mit Sensen bearbeiten (meinetwegen auch mit den ansonsten verhassten Motorsensen). Aber ist das in Sicht? Die Tollense weiter aufwärts kann man bald neben einem "Netto" (mit dem Hund) anlegen, dort könnte man an Werktagen tatsächlich auch einen Kaffee bekommen im Stehcafe des Bäckers... allerdings nicht an Sonntagen, und von Urbanität ist dort keine Spur.

Ich paddle wieder zur Peene, in den Altarm der Hanseinsel hinein, in dem fast alle Wassersportvereine Demmins untergebracht sind. Selbstverständlich dienen diese Einrichtungen der Geselligkeit - aber eben nicht der Gastlichkeit, obwohl man ja im Segelhafen mit eigenen Zelten übernachten kann (Wasserwanderrastplatz). Also ist es auch hier nichts, wo doch alle privilegiert sind mit ihrem Wasserzugang. 

Motorschiff in Demmin

Motorschiff in Demmin

Auf meiner weiteren Fahrt paddle ich wieder unter der Kaldenbrücke hindurch: diese ist an einem Ende hochgeklappt, ein Motorgüterschiff ist im Anmarsch. Mit diesem habe ich auch meinen Spaß, es fährt (gefühlt) recht dicht an mir vorbei, links von mir steht eine hohe Spundwand. Durch den Engpass der Brücke kommt es nicht ohne Probleme, da dieser nicht wie ein Doppeltrichter gebaut wurde, sondern parallele Leitwerke bekommen hat. Darin verkantet sich das Schiff zunächst und kommt erst nach einigem Geschwurbel hin und her wieder frei. Ich stelle es mir nicht einfach vor, ein solch langes Fahrzeug ohne Bugstrahlruder zu manövrieren.

Fröhlich pfeifend paddle ich jetzt in Richtung Loitz, und der Durst, Hunger und Appetit ist doch sehr real geworden. Hinter der Straßenbrücke zum Demminer Stadtteil "Meyenkrebs" finde ich einen kleinen Anleger: hier befindet sich eine Kanuvermietung mit Wasserwanderrastplatz. Ich glaube eine Eisreklame gesehen zu haben, lege an und erklimme die sanfte Uferböschung. Ich möchte ein Eis essen, und ich möchte wenigstens Mineralwasser kaufen, damit ich den Rest dieses Sonntags auch noch durchstehe. immerhin ist es recht warm und sonnig, und leider sind meine Vorräte ziemlich aufgebraucht. 

Auf dem großen Grundstück treffe ich die Diensthabende, es ist die Tochter des Kanuvermieters. Sie verkauft mir ein Eis aus ihrer Tiefkühltruhe, gibt mir nette Auskünfte über alles und den Kanuverleih im besonderen und da es dort kein Mineralwasser gibt, bekomme ich eine große Flasche Apfelschorle (ohne Zucker!). Ich bin danach recht erfrischt, und so setze ich meine Wassergastronomie-Testfahrt fort.

Um den ganzen Bericht abzukürzen: ich paddle bis kurz vor die Eisenbahnbrücke, wo ein Schild auf "einen" Hafen von Demmin hinweist. Es zeigt den Weg in den Mühlengraben (woanders auch als "Richtgraben" bezeichnet), den ich beherzt hochpaddle. Dieser erweist sich als Aneinanderreihung von großen Bootshäusern, an deren Ende es diesen ominösen "Hafen" gibt. Dahinter endet der Mühlengraben, und für Kanus ist es nicht möglich, dort anzulegen, obwohl es sich um öffentliches Gelände mitten in er Innenstadt handelt. Selbst wenn man anlegen könnte, wäre der Zugang zur Stadt und den (sehr nahen!) Cafes nicht praktizierbar, da ein hoher dichter Drahtzaun daran hindert. Ich erinnere mich daran, auf Luftbildern gesehen zu haben, dass dieser Mühlengraben fast komplett die Stadt umrunden würde, hätte man ihn nicht eines Tages auf halbem Weg trocken gelegt. Das ist sehr schade!!

Wieder auf der Rücktour, treffe ich am "Hafen" den Diensthabenden, erfahre von ihm, dass man hier zelten kann. Für Motorboote ist auch ein wenig Platz, zu groß sollten sie aber nicht sein. Gastronomie gibt es hier nicht, mit Ausnahme von Catering für Kanugruppen nach vorheriger Anmeldung.

Trebel nahe Demmin

Trebel nahe Demmin

Ich beschließe, meine Erkundungen der Wassergastronomie in Demmin einzustellen und zu meinem Fahrzeug zurück zu paddeln. immerhin ist es bereits nach 16:00 Uhr.  Also widme ich meine Aufmerksamkeit lieber der schönen Natur um mich herum, sehe einen Eisvogel aus der Baumscheibe einer umgestürzten Weide fliegen und eine Familie Teichhühner mit verhaltenem Gegluckse durch das Schilfdickicht ziehen. Ich biege in die Trebel ein, und dann höre ich laute Stimmen. Hinter einer Kurve sehe ich jemanden telefonieren und entdecke ein bekanntes Boot: ein Naturfotograf, den ich schon einmal traf, hat hier seine Kameras in Aktion gebracht. 

Naturfotograf an der Trebel

Naturfotograf an der Trebel

Als ich näherkomme, unterbricht er sein Telefonat, und wir unterhalten uns mehr als zwei Stunden über unsere Erlebnisse. Meist sind es seine Erlebnisse, und diese sind tatsächlich auch sehr interessant. Dann wird es tatsächlich kühl, ein Blick auf meine Uhr zeigt fast 20:40 Uhr an. Schleunigst paddle ich die letzten 500 Meter zu meinem Fahrzeug zurück, verstaue meine Ausrüstung und verlasse diese schöne Einsetzstelle in Wotenik. Ich bin heute mehr als 9 Stunden gepaddelt, wenn auch meist langsam. Dieser Tag war interessant, vor allem durch meine eigenen Vorstellungen, was man aus einer derartigen Stadt machen könnte, wenn man ein Gefühl für Wohlgefallen und Gastlichkeit entwickeln könnte - seitens der Verwaltung und seitens interessierter Bürger.

Geschrieben in Kanutagebuch (2013)