Kanu & Natur

ein persönliches Blog von Jürgen Clausen

1. Etappe Neubrandenburg bis Altentreptow

Geschrieben am 20.07.2015 in Kanureisen (2015) —   Tollense (Geändert am 05.07.2017)

Teil 2 von 4 in der Serie Tollense-Tour 2015

Am Sonntag Morgen bin ich bereits vor sechs Uhr auf den Beinen. Ich habe sehr schlecht gelegen, und jetzt benötigen meine Knochen Bewegung. Ich koche erst einmal Tee für uns drei. Während ich meinen trinke, packe ich ein, was wir für unsere Tagestour benötigen. Der Plan sieht vor, heute die Strecke von Neubrandenburg bis hier zurück zu unseren Zelten zu paddeln. Das bedeutet, dass wir nur wenig Ausrüstung zu transportieren haben.

junge Lachmöwen

junge Lachmöwen: Foto: Alexander Clausen

Bis wir gefrühstückt haben und im Auto sitzen, vergeht noch viel Zeit. An unserer Einsetzstelle kommen wir gegen neun Uhr an, und bis wir endlich starten, ist es bereits kurz nach neun Uhr. Wir paddeln nahe dem Stadtufer des Tollensesees entlang und biegen nach wenigen Kilometern in die Tollense ein.

Einsetzen nach dem Umtragen

Einsetzen nach dem Umtragen: Foto: Alexander Clausen

Nur wenige Meter später teilt sich die Tollense in Oberbach und Ölmühlenbach: wir wählen den Ölmühlenbach, um nicht später die Hauptstraße des Stadtrings überqueren zu müssen. An der Brücke, die "Blaues Wunder" genannt wird, sitzen einige junge Lachmöwen und schauen uns verwundert zu. Der gerade Kanal wird bald durch das Brodaer Wehr unterbrochen, wo wir eine kurze Umtragestrecke zu bewältigen haben. Aussetzen und Umtragen ist hier einfach, aber für das Einsetzen steht nur ein verfallener alter Steg  zur Verfügung.

doofe Umtrage bei Hopfenburg

doofe Umtrage bei Hopfenburg

Weniger als einen Kilometer später finden wir bei Hopfenburg eine (gegenüber früheren Erfahrungen) veränderte Situation vor: man hat aus zwei Schwällen eine einzige, längere Sohlgleite gemacht und zum Aussetzen links einen niedrigen Steg errichtet. Soweit so gut, aber als wir den Umtrageweg erkunden, finden wir nur eine lose gepflasterte Böschung vor. Da alles hoch von Kraut bewachsen ist, kann man sehr schlecht sehen, wo man hintritt. Da hat mal wieder jemand etwas geplant, der noch nie ein Kanu von innen gesehen hat. 

Kanu im Regen

Kanu im Regen

Wir tragen Ausrüstung und Kanu zum Einsetzsteg und paddeln an einer netten Vorgartenlandschaft vorbei. Bald passieren wir den Zusammenfluss des Ölmühlenbachs mit dem Oberbach, die dadurch wieder zur Tollense vereinigt werden. 

junge Stockenten

junge Stockenten: Foto: Alexander Clausen

Bevor wir in die Torflöcher paddeln, legen wir rechts am verlodderten Steg des verlodderten Pausenplatzes und Einsetzstelle "Mittelste Straße" an und essen unsere Zwischenmahlzeit. Es ist schon bald Mittag, und von hier startet eine Familie mit zwei kleinen Kindern. Ich erkunde noch ein wenig die Umgebung, dann sitzen wir wieder in unserem Kanu. Ab und zu fallen einige kleine Tropfen vom Himmel. Wir sind aber sehr mit der schönen Umgebung beschäftigt und messen dem zunächst keine Bedeutung bei. 

Tollense-Wildnis

Tollense-Wildnis: Foto: Alexander Clausen

Die Tropfen gehen bald in Regen über, zunächst verhalten, dann  stärker. Wir ziehen unser Regenzeug über, und Alexander nimmt den großen Anglerschirm, damit er noch Fotos machen kann. Wir überholen die Familie, man hat sich unter einem großen Ast einer Weide geflüchtet. Zunächst haben wir noch die Hoffnung, der Regen hört bald wieder auf und die Sonne trocknet uns wieder. Das erweist sich aber als nicht zutreffend, und schon bald richten wir uns auf einen Regentag ein. Zurückpaddeln wollen wir nicht, und so versuchen wir, das beste aus der Situation zu machen.

Krautansammlung vor Neddmin

Krautansammlung vor Neddmin

Stundenlang paddeln wir durch wirklich schöne Natur, und wir sehen dabei etliche Eisvögel, einen Flussuferläufer, Rohrsänger, Rehe und sogar einen völlig zerzausten Neuntöter. 

Tollensetal im Regen

Tollensetal im Regen

Es dauert nicht lange, bis der Dauerregen uns völlig durchnässt hat. Um uns warm zu halten, paddeln wir mit voller Kraft. Ab und zu überholen wir eine kleine schwimmende Krautinsel, und allmählich dämmert es uns, dass wir es heute noch mit konkreten Problemen in Form von Krautsperren zu tun bekommen werden. 

Algen auf dem Randkanal

Algen auf dem Randkanal

In Woggersin legen wir für eine kleine Pause nahe der Straßenbrücke an. Ich gehe ein wenig umher, einfach um mich zu bewegen. An eine richtige Pause ist nicht zu denken, da wir dazu zu nass sind und befürchten, zu stark auszukühlen.

Altentreptow in Sicht

Altentreptow in Sicht

Wir paddeln weiter, beobachten dabei wieder Eisvögel, dazu Störche und etliche Schwarzmilane, einmal sogar mit Jungen dabei. Der Himmel bleibt dicht, die Wolken bilden nach wie vor ein einheitliches Grau. Eine Stunde später passiert es: genau vor der Eisenbahnunterführung beginnt eine dichte Ansammlung von geschnittenem Kraut, das die gesamte Gewässerbreite einnimmt. Damit sind wir etwa 200 Meter vor dem Abzweig der Alten Tollense. Genau dort liegt die Sperre in Form dicker, runder Schwimmkörper. Am rechten Ufer drücken wir uns mit aller Kraft durch das Kraut, und sobald es möglich ist, steigen wir aus dem Kanu, um es direkt am Ufer entlang zu treideln. Das gelingt mit größter Mühe. An der Abzweigung liegt ein riesiger Haufen von stinkendem Zeug, das der dort stehende Bagger seit Wochen aus der Tollense gefischt hat. Es ist sicher nicht nur Kraut, es sind ganz bestimmt auch verendete Tiere darin, die den Maschinen zum Opfer gefallen sind. 

Tollense unterhalb von Altentreptow

Tollense unterhalb von Altentreptow

Wir gehen zum Wehr der Alten Tollense hinüber, weil wir hoffen, unser Kanu dorthin umtragen zu können. Gut einsetzen kann man dort jedoch nicht, und die Alte Tollense ist viel länger als der Randkanal. Insofern verwerfen wir schnell den Gedanken und überlegen, wie wir noch an der Krautsperre vorbei kommen können. 

Anlegesteg am Wasserwanderrastplatz Wiesenquelle

Anlegesteg am Wasserwanderrastplatz Wiesenquelle

Wir entscheiden uns, uns diagonal und damit etwa mit dem Verlauf der Krautschichten ans andere Ufer durch zu arbeiten, um uns dort an einem dicken Blechpfahl links vorbei drücken zu können. Zentimeterweise kommen wir vorwärts, und schließlich erreichen wir das andere Ufer. Dort steige ich aus und ziehe unser Kanu direkt am Ufer entlang und schaffe es sogar, es durch das Schilf am linken Pfahl vorbei zu ziehen. Dann steige ich wieder ein, und wir sind erst einmal frei zum weiter Paddeln.

Obwohl der Randkanal voller Algen ist, kommen wir recht gut vorwärts, da wir kräftig paddeln. Als wir endlich in Altentreptow ankommen, müssen wir dort noch im strömenden Regen umtragen. Wir steigen links im Altarm aus, packen alle Gepäckstücke aus unserem Kanu, schieben unseren Bootswagen drunter und packen alles wieder ein. Dann schieben wir an der Straße entlang zu der Stelle, wo wir wieder einsetzen können. Fast komplett entkräftet paddeln wir die letzten 1000 Meter bis zum Wasserwanderrastplatz "Wiesenquelle". 

In unseren Zelten ist es trocken und im Vergleich zu draußen recht warm. Wir versorgen uns mit trockener Kleidung und ich mache heißen Tee. Als wir ihn genießen, erscheint vor den Zelten ein Paddler-Pärchen. Wir kommen ins Gespräch, und der Mann bietet mir an, mich nach Neubrandenburg zu fahren, damit ich nicht mit der Bahn unser Auto holen muss. 

Ich bin natürlich sehr erfreut, und weniger als eine Stunde später bin ich bereits mit unserem Auto wieder bei der Wiesenquelle. Das Auto ist sehr warm, und so wärmen sich auch Gundula und Alexander noch ein wenig auf, bis wir abends zu unserer Verabredung in die Wiesenquelle gehen, wo es frisch geräucherte Forelle und selbst gemachten Kräuterlikör gibt. 

Es wird noch ein netter Abend, es kommen noch andere Paddler an. Von denen hören wir, dass die Familie, die wir in Neubrandenburg trafen, am Wehr Neddemin ihr Lager aufgeschlagen haben. Die armen Leute tun uns leid, da wir ja wissen, wie es dort stinkt.

Diese Nacht schlafe ich sehr gut, die Anstrengung des Tages lässt nichts anderes zu.

Tollense-Tour 2015

  1. 1. Etappe Neubrandenburg bis Altentreptow
  2. Von Klempenow bis Sanzkow