Kanu & Natur

ein persönliches Blog von Jürgen Clausen

Anpaddeln 2016 auf der Schwentine am 2. April

Geschrieben am 03.04.2016 in Kanutagebuch (2016) (Geändert am 05.07.2017)

Für den heutigen Samstag sind 12 Grad vorher gesagt, und in der Nacht war es auch nicht kalt. Es soll zwar grau sein, aber trocken. Uns hält nichts mehr in der Wohnung, und nach einigen Vorbereitungen sind wir am frühen Nachmittag auf dem Wasser. Wir setzen in Neumühlen/Wellingdorf (Kiel) in die Schwentine ein. Auf dem großen Parkplatz unter der Brücke stehen nur wenige Fahrzeuge mit Kanu-Dachträger. Während wir einsetzen, beginnt auch noch ein Paar mit zwei Kindern die Tour.

ruhige Kanadagänse

ruhige Kanadagänse

Trotz des Straßenlärms hören wir bereits hier einige Rotkehlchen und Zaunkönige singen: von hier an begleiten uns die Rufe dieser Vogelart die gesamten kommenden Stunden, die wir unterwegs sind. Es bläst ein recht scharfer Wind von vorn, aber meist ist es sonnig, war uns regelrecht entzückt. Etliche Kanadagänse schwimmen an uns vorbei oder halten sich auf den Grundstücken der Anlieger auf. An den Kanuclubs ist es noch sehr ruhig. 

balzendes Schellentenpärchen

balzendes Schellentenpärchen: Foto: Alexander Clausen

Wir hören Schwarzspechte, und kurz vor der Eisenbahnbrücke überfliegt auch einer die Schwentine. Einige Pärchen von Schellenten sind unterwegs. Wir sehen so manches Balzritual: Er schiebt seinen Kopf ganz weit vor, so dass sein Hals parallel zum Wasser steht. Ein Mäusebussard dreht seine Runden und lässt dabei seine Rufe hören. 

Je näher wir Klausdorf kommen, umso weniger hören wir vom Straßenlärm. Auf der sumpfigen Insel hören wir ein leises Knacken, und erst als wir ganz genau hinschauen, erkennen wir den Rehbock: sein Fell sieht noch dunkel  und sehr zerzaust aus, sein Fellwechsel ("Härung") ist noch nicht abgeschlossen. 

die Schwentine bei Klausdorf 2016

die Schwentine bei Klausdorf 2016

Auf der Höhe des Sportplatzes liegt rechts ein kleines Feuchtgebiet mit Weidenbüschen und Schilf. Ich habe das Gefühl, dass hier irgend etwas nicht stimmt. Wir sind ganz leise, und dann sehen wir sie: sehr kleine gestreifte Wesen verschwinden leise aus dem Uferbereich. Frischlinge! Wir zählen 8 Geschwister. Auch die Bache macht sich unhörbar aus dem Staub. Verwundert und auch ergriffen paddeln wir leise weiter. Auf der Insel links sind größere Flächen und auch die Spitze vollkommen schwarz, wir sehen nur noch nackte Erde zwischen den hohen Erlen, und einige tote Bäume sind ebenfalls "gelegt" worden. Die Schweine haben ganze Arbeit geleistet! Bis dort waren die Schweine in den vergangenen Jahren noch nicht vorgedrungen! 

badende Gebirgsstelze

badende Gebirgsstelze: Foto: Alexander Clausen

Die Strömung nimmt zu, aber vom Wind bekommen wir jetzt kaum noch etwas zu spüren. Ab und zu sehen wir einen Zaunkönig im Uferbereich herumhuschen oder von einem Ast hoch oben seinen Reviergesang schmettern. Auch Rotkehlchen sind immer noch viele zu sehen und zu hören. Weiden blühen, und Hummeln sammeln fleißig Pollen. Einige Kanadagänse haben bereits ihren Brutplatz gesichert. Der Schlehdorn blüht, Weißdorn und Stachelbeere bekommen bereits ein zart schimmerndes grünes Kleid. Blühende Buschwindröschen lassen den bisher noch gut belichteten Waldboden erstrahlen, und zwischen ihnen blühen ebenfalls schon Waldgelbsterne. Zu unserem Erstaunen gibt es schon einige Blüten vom Sumpfdotter!

Pause gegenüber dem Wasserwerk

Pause gegenüber dem Wasserwerk

Wir wollen bis zum Heegholz paddeln, wo ein kleiner Bach in die Schwentine fließt. Die letzten paar hundert Meter werden immer mühsamer, da die Strömung immer weiter zunimmt. An einem kleinen Sandstrand landen wir an. Als wir gerade an Land stehen, sehen wir eine Gebirgsstelze nur wenige Meter von uns entfernt im Bach baden. Sie badet sehr ausgiebig, und dann ist dort noch etwas, was sich bewegt: ein Zaunkönig wuselt ebenfalls im Bach umher, sortiert die kleinen Ästchen zwischen dem Geröll. Während wir unsere Muffins verzehren und uns am Zitronen-Apfeltee laben, sehen wir auch noch ein Rotkehlchen ganz nahe bei uns auf einem Ästchen sitzen. 

Wildschwein am Ufer der Schwentine

Wildschwein am Ufer der Schwentine: Foto: Alexander Clausen

Wir lauschen dem übrigen Vogelkonzert, und entlang der Schwentine fliegt ein Eisvogel. Auch ein paar Stockenten wählen die kürzeste Strecke in einigen Metern Höhe. Nach einer Weile paddeln wir langsam zurück, lassen uns mehr oder weniger mit der Strömung treiben. Natürlich sind wir sehr gespannt, ob wir etwas von den Wildschweinen zu sehen bekommen. Etwa 100 Meter vor der Stelle sehe ich im Fernglas zwei braungraue Haufen. Wir diskutieren, ob es große Steine  sein mögen - oder doch Tiere. 

Anlandestelle Neumühlen

Anlandestelle Neumühlen: Foto: Alexander Clausen

Alexander schießt ein Fotos und meint, es wären haarige Steine. Mucksmäuschenstill lassen wir uns an die Sonnenanbeter heran treiben, aber natürlich nehmen sie uns trotzdem wahr. Langsam und leise erhebt sich zuerst der Keiler und dann die Bache. Sie verlassen ihren Sonnenplatz ohne Knackgeräusche zu verursachen. Die Frischlinge sind kaum zu sehen, ich kann vier von ihnen unterscheiden. Wir sind sehr erstaunt, wie geräuschlos diese Tiere sich durch den Bruchwald bewegen können. Dieses Erlebnis hat uns sehr beglückt...! 

Auf dem gesamten Rückweg bis zu unserer Einsetzstelle sind wir fröhlich-still-aufmerksam. Der Wind hat sich gelegt, die Sonne neigt sich auch gen Horizont. Uns begegnen einige Paddler, immer noch singen Rotkehlchen und Zaunkönige. Wir haben das Gefühl, das Grün ist in den wenigen Stunden mehr geworden. Als wir unter der großen Brücke in Neumühlen ankommen, starten sogar noch einige Neuankömmlinge in den Sonnenuntergang. Wir sind bald auf unserem (kurzen) Heimweg und fühlen uns glücklich und froh, gleich beim ersten Mal Paddeln derartig aufregende Dinge erlebt zu haben.

Geschrieben in Kanutagebuch (2016)