Kanu & Natur

ein persönliches Blog von Jürgen Clausen

Von Pasewalk bis ins Stettiner Haff

Geschrieben am 07.05.2007 in Kanureisen (2007) —   Uecker (Geändert am 16.09.2017)

Teil 3 von 4 in der Serie Auf der Uecker im Mai 2007

Am Morgen des 20 Mai sitze ich bereits gegen 7:30 Uhr im Kanu. Ich habe im Unterwasser des letzten Wehrs in Pasewalk eingesetzt. Die Uecker ist ab hier knapp 20 Meter breit, und sie hat immer noch lange Geraden und wenig Kurven. Das Gefälle ist mäßig, die Strömung geringer als vor Pasewalk.

Meine Kanutour führt mich durch die Ueckermünder Heide, die hier nach Süden bis Pasewalk reicht. Sie besteht aus Wiesen und Wald, und mittendrin befinden sich mehrere Truppenübungsplätze. Manchmal reicht der Wald bis an die Uecker.

Als ich nach einer halben Stunde das Wehr bei Belling erreiche, erkenne ich, dass es von gleicher Bauart ist wie das letzte Wehr in Pasewalk: es gibt einen Kanupass. Man könnte hier hindurch paddeln, aber die Wände sind aus Beton, und ohne Arbeitshandschuhe würde ich nicht dazu raten, sie während der Fahrt anzufassen, um sich abzustoßen. Ich bevorzuge zu treideln, das ist auch kein Problem. 

 

Kanu - Einsetzstelle Pasewalk

Kanu - Einsetzstelle Pasewalk

Nach wenigen Minuten sitze ich wieder in meinem Kajak, und die Landschaft der Ueckermünder Heide ist immer noch wie vorher. Ab und zu höre ich das Geräusch starker Motoren: hier werden sicher Panzer durch die Heide pflügen. 

Gegen 9:30 Uhr erscheint das nächste Wehr, ich bin in Liepe-Stallberg. Man hat hier das alte Klappenwehr durch eine Sohlgleite ersetzt, die zugleich als Fischaufstiegshilfe dient. Für Kanus hat man aus aneinander gereihten Granitsteinen eine Art Kanu-Pass gebaut. Die vorgesehene Art der Nutzung ist jedoch nicht zu empfehlen, da man nicht verhindern kann, dass das Kanu gegen die Steine prallen wird.

Ich setze aus, rutsche mein beladenes Kanu über das Gras und steige im Unterwasser wieder ins Boot. Die Uecker ist ab hier ein wenig schmaler, die Strömung kräftiger. 

Uecker unterhalb von Pasewalk

Uecker unterhalb von Pasewalk: durch die Ueckermünder Heide

Ab hier beginnt eine andere Uecker: die Ufer tragen mehr Gehölze, alles wirkt natürlicher. Die Uecker beschreibt hier auch einen großen Bogen, bis sie am Dorf Hammer vorbei führt. Ich entdecke die ersten Bibergleiten am Ufer, bald auch die ersten angebissenen Bäume. Manche sind bereits im Wasser gelandet. 

Ich habe das Gefühl, dass ich erst jetzt auf der Uecker angekommen bin, dass ich vorher nur auf einem Kanal unterwegs war. Gehölze dominieren die Ufer der mändrierenden Uecker, und dann habe ich plötzlich einen Zeitriss: ein Schiff aus dem frühen Mittelalter kommt mir entgegen gesegelt! Meine Überraschung ist schnell vorbei, als ich erkenne, dass ich es hier mit einem Slawenboot des Freilichtmuseums Ukranenland zu tun habe. 

 

Ukranenland in Torgelow

Ukranenland in Torgelow

Bald passiere ich das Ukranendorf, aber das Anlanden ist hier verboten. Das macht mich wütend: da werden öffentliche Gelder für Projekte in Millionenhöhe ausgegeben, und dann kann man sie nicht einmal auf natürlichem Weg besuchen. Ich hatte ja auch gehofft, hier zelten zu können, aber das wird wohl nichts. Ich höre sogar noch jemanden sagen" da hinten ist wieder jemand, der sich einschleichen will!". Wie dumm sind diese Leute eigentlich? Potenzielle Gäste zu vergraulen gehört zu den schlimmsten Fehlern, die man als Touristiker machen kann. Auch fürs Fotografieren bekomme ich Schimpfe. Dämlich und unfreundlich, kann ich hier nur sagen.

Ukranenland

Ukranenland

Also paddle ich schnell am Ukranenland vorbei, kopfschüttelnd und verständnislos. Nach wenigen Kilometern erreiche ich Torgelow. Die Uecker fließt hier mitten durch die Stadt, die Ufer sind grün. Die meisten Gebäude sind nett anzuschauen, ein Slawenboot liegt am Ufer, wo sich schon wieder ein Slawenmuseum befindet. 

Ich erwarte die Verzweigung der Uecker: zum Umtragen des Wehrs (hier "Schleuse" genannt") soll ich in einen Altarm hinein paddeln. Ich finde ihn bald, er ist sehr schmal und zweigt nach links ab. Er endet in einer Art "Hafen", und es fließt ein wenig Wasser in eine sehr lange Fischtreppe. 

Innenstadt von Torgelow von der Uecker aus gesehen

Innenstadt von Torgelow von der Uecker aus gesehen

An einem Gebilde, das einen Schwimmsteg darstellen soll, aber sehr wackelig ist, lande ich an und steige aus meinem Kanu. Wo trage ich hier denn um? Die Pforte zum Umtrageweg ist abgeschlossen, der einzige Weg von dieser Insel zu kommen. Ich klettere drüber und beschließe, mir die gesamte Anlage anzuschauen. Dabei treffe ich einen örtlichen Kanuvermieter, komme mit ihm ins Gespräch. Als er erfährt, was ich vorhabe, gibt er mir Tipps zum Umtragen und erklärt sich bereit, mich nach Pasewalk zu meinem Auto zu fahren, sobald ich in Ueckermünde angekommen bin. Ich soll ihn anrufen, sobald ich im Zerum bin, einem kleinen Hafen nahe dem Haff.

 

Umgehungsgerinne in Torgelow

Umgehungsgerinne in Torgelow

Am Ende der Fischtreppe setze ich wieder in die Uecker und fühle mich nach kurzer Zeit wieder frei. Dazu trägt natürlich auch bei, dass mein Transport zum Auto geregelt ist. 

Die Uecker hat nun für kurze Zeit wieder flotte Strömung, und die Umgebung gefällt mir recht gut. Man hört kaum Zivilisationslärm, die Umgebung besteht aus Wiesen und Wald. Je weiter ich in Richtung Haff komme, umso natürlicher scheint mir die Umgebung zu werden.

Dann komme ich an die Stelle, wo die Randow in die Uecker mündet: an einer hohen Erle weisen zwei Schilder auf die Richtungen sowohl nach Eggesein als auch nach Torgelow hin. 

Uecker bei Eggesin

Uecker bei Eggesin

Fühlbare Strömung gibt es nun nicht mehr. Dafür bin ich in der Wildnis: an den Ufern liegen umgefallene Bäume, überall wachsen Sumpfstauden. Alle paar hundert Meter zweigen Altarme oder Torfstiche ab. An mehreren Stellen liegen Wracks von alten Transportschiffchen in der Uecker. Sie scheinen von einer Zeit zu erzählen, in der man bis Pasewalk aufwärts Waren und Güter auf dem Wasser transportiert hat. Insofern macht es auch Sinn, in Torgelow von einer Schleuse zu sprechen. Das heutige Wehr wird wohl einst eine gewesen sein.

Als ich mal ganz nahe am Ufer paddle, entdecke ich, dass es an vielen Stellen Biberspuren gibt. Für diesen Abschnitt lasse ich mir viel Zeit, obwohl ich noch so viel vor habe. Gegen 16:30 Uhr kommt die Brücke in Sicht, die direkt vor dem Hafen von Ueckermünde liegt. 

Das Stettiner Haff bei Ueckermünde

Das Stettiner Haff bei Ueckermünde

So bin ich ganz plötzlich in einer anderen Welt: eben noch Wildnis, bin ich nun von Betonwänden und Motoryachten umgeben. Die folgenden 1300 Meter liegen Großyachten, Ausflugsschiffe, schnelle Motorboote und Restaurantschiffe an den nagelneuen Ufern aus glattem Beton. 

Aufmerksam, aber doch schnell  paddle ich hier vorbei. Dann wird es wieder ein wenig natürlicher, bis ich das letzte Stückchen Uecker erreiche. Hier, auf den letzten 300 Metern, ist die nunmehr vielleicht 20 Meter anstatt vorher 50 bis 60 Meter schmale Uecker ganz brutal in Stahlspundwänden eingefasst. Vorbei fahrende Schiffe und Motorboote lassen ihre Wellen gegen die Spundwände prallen, so dass sich durch die Reflexionen Kreuzwellen bilden. Ein wenig heikel ist es durchaus, hier zu paddeln. Dann bin ich auf dem Haff, und ich genieße das freie Gefühl, dass sich sogleich einstellt. Etliche Schiffe sind unterwegs, weshalb ich mich außerhalb der Fahrrinne halte. Der Wind weht mit etwa 2 bft, und das reicht aus, zusammen mit den Schiffswellen, ganz ordentliche Wasserberge aufzutürmen. Mehr als einen halben Kilometer paddle ich daher nicht hinaus auf das Stettiner Haff, bevor ich den Rückweg antrete, wobei ich gleich mal die Anlegemöglichkeit am westlichen Ufer erkunde: sie ist gleich Null. Es gibt nur Schilf, so weit ich sehen kann. An der Ostseite ist Strand, da könnte man anlanden, das möchte ich aber gerade nicht.

Ich will aber zurück in die Uecker, um im Hafen des ZERUM anzulanden. Dort sieht es ein wenig herunter gekommen aus, aber ich finde eine niedrige Anlagestelle, wo ich aussetze. Ich telefoniere mit dem Kanuvermieter, und der holt mich bald ab und fährt mit mir und meinem Kanu nach Pasewalk. (Inzwischen wurde dieser Hafen erneuert, Stand 2014).

Gegen 19:15 Uhr finde ich mich auf dem Wasserwanderrastplatz ein. Den Abend verbringe ich mit einigen netten Leuten, die aus dem Oderbruch stammen. 

Die Uecker in Ueckermünde

Die Uecker in Ueckermünde

Auf der Uecker im Mai 2007

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