Kanu & Natur

ein persönliches Blog von Jürgen Clausen

Sightseeing im Oderland

Geschrieben am 26.08.2008 in Kanureisen (2008) —   Oder (Geändert am 05.07.2017)

Teil 5 von 9 in der Serie Wandertouren auf der Oder 2008

Am Samstag, den 23.August paddeln wir sicherheitshalber nicht, da es sehr stürmisch ist. Meine Familie hat ohnehin kaum genug Zeit, mit mir zusammen die gesamte restliche Oder inkl der Polderlandschaft mit dem Kanu zu erkunden, und so beschließen wir, uns die restlichen Tage einen geeigneten Standort zu suchen, von dem aus wir schöne, ruhige Naturtouren auf den

Odergewässern unternehmen können, ohne dauernd Auto fahren zu müssen.

Da ich einen kleinen Campingplatz in der Nähe von Stettin kenne, wollen wir versuchen, dort einen Wohnwagen zu mieten. Auf dem Weg dorthin möchten wir die Landschaft genießen, ab und an aus dem Auto aussteigen und Neues kennenlernen.

So räumen wir morgens unser Zimmer und begeben uns auf den Weg durch die Oderbruchlandschaft in Richtung Norden. Das Oderbruch selbst hat für uns auf den Straßen nicht viel zu bieten, es herrscht großflächige Landwirtschaft auf platten Äckern vor. Nur selten sehen wir etwas Sumpfiges, Wald oder ähnliches. Ich weiß jedoch, daß es noch Reste des alten Oderbinnendeltas gibt: hinter Hohenwutzen liegen größere Sumpflandschaften mit dem Lieper See und dem Oderberger See. Hier war der Sumpf wohl so tief, daß man es im 18. Jahrhundert nicht ganz geschafft hat, ihn  restlos trocken zu legen. So blieb eine Naturlandschaft übrig, die ziemlich abgeschieden liegt und kaum zu Fuß oder gar mit Fahrzeugen erreichbar ist.

Alte Oder bei Bliesdorf

Alte Oder bei Bliesdorf

Hier gibt es auch noch Reste der Alten Oder, die Wriezener Alte Oder und der Freienwalder Landgraben, die beide nahe Bralitz zusammenfließen und ab Oderberg als Teil der Havel-Oder-Wasserstraße eine wichtige schiffbare Verbindung von Berlin zur Oder darstellen.

In Oderberg lassen wir uns von den beachtlichen Hügeln beeindrucken, an deren Hänge die Häuser geklebt wurden, wie man es eigentlich eher von der Mosel kennt. Wir werfen auch einen Blick in das Flussschiffermuseum und lassen uns über die menschlichen Aktivitäten bei der Umgestaltung des Oder-Binnendeltas informieren.

Uns lockt noch die Schleusenanlage im nahen Hohensaaten, und tatsächlich ist auch meine Familie ebenso beeindruckt von den Bauwerken wie ich, als ich hier vor ein paar Wochen gepaddelt bin. Ich kam damals von der Havel über den Finowkanal.

Wir fahren in Richtung Norden durch Wald und sehr menschenenleeres Gebiet, bis wir über Lunow und Lüdersdorf in Stolpe ankommen.

Blick vom Grützpott in Stolpe

Blick vom Grützpott in Stolpe

In Stolpe steht der alte Wehrturm, den die Einheimischen seit jeher "Grützpott" nennen. Hier sind wir nicht direkt an der Oder, sondern an der Hohensaatener-Friedrichsthaler-Wasserstraße. Der Grützpott selbst liegt auf einer respektablen Anhöhe, einer Sandmoräne von etwa 65 Metern und ist selbst noch einmal etwa 25 Meter hoch, von denen etwa 7 m im Boden liegen.

Grützpott in Stolpe

Grützpott in Stolpe: ein alter Wehrturm, um den sich allerhand Sagen ranken

Die Mauern dieses alten Wehrturms sind bis zu 8 m mächtig, und wenn man den richtigen Zeitpunkt erwischt, ist der Grützpott geöffnet und man kann von oben die Aussicht genießen und sich den Wind um die Ohren blasen lassen. Dieser Turm ist Bergfried einer ehemaligen großen Burganlage, die seit langem zerstört ist.

Wir haben riesiges Glück, denn gerade hat sich eine kleine Gruppe von gut 10 Personen eingefunden, um einem Vortrag zu lauschen und einer Führung beizuwohnen. Wir schließen uns an und haben dadurch Gelegenheit, uns erstens den Turm von innen anzuschauen und zweitens einen Blick vom Dach des Grützpotts in die Umgebung zu werfen. Ich selbst war schon einmal hier, hatte das große Glück, eine Einzelführung für 2 Personen zu bekommen.

Blick vom Grützpott

Blick vom Grützpott: Blick vom Grützpott über den Nationalpark Unteres Odertal bis hin zum polnischen Ufer bei bielinek

Wir genießen unseren Aufenthalt hier in Stolpe sehr, und obwohl es auf dem Turm sehr windig ist, können wir einige Fotos von dort oben machen. Man hat hier einen schönen Blick bis rüber zur Ostoder bei Bielinek, wo der große Kiessee liegt. Natürlich kann man hier auch das gesamte Odertal überblicken mit der HoFrieWa im Westen mit den angrenzenden Teichen und dem kleinen Hafen Stolpe.

Nach ausgiebigem Aufenthalt setzen wir unseren Weg fort und fahren über Schwedt direkt bis Mescherin. Dieser kleine Ort liegt nahe Gryfino, das vor dem Kriegsende "Greifenhagen" hieß und schon fast ein Vorort von Stettin ist, nur etwa 20 Autominuten von dort entfernt.

Eisvogel, Foto: Alexander Clausen

Eisvogel, Foto: Alexander Clausen

Mescherin war bis Ende 2007 eine wichtige Zollstation, seitdem ist es dort ruhig geworden, auch im kleinen Hafen. Für uns ist es hier interessant, weil es einen kleinen Campingplatz mit direktem Zugang zur Westoder gibt und weil man von hier sehr schön in die polnischen Polder paddeln kann. Genau das haben wir vor: uns ganz ruhig mit dem Kanu in der Natur aufhalten, uns dabei entspannen und uns an Tieren und Pflanzen erfreuen, die es woanders nicht so reichlich gibt wie hier.

Es gelingt uns, wie geplant für ein paar Tage einen kleinen Wohnwagen zu mieten, so daß Hilli bestens versorgt ist. Auch Gundula und ich schlafen dort, Alexander hat das Zelt aufgebaut. Wir machen uns noch einen schönen Abend und genießen eine sehr ruhige Nacht an der Westoder.