Kanu & Natur

ein persönliches Blog von Jürgen Clausen

Bahnfahrt nach Küstrin-Kietz

Geschrieben am 31.08.2009 in Kanureisen (2009) —   Oder (Geändert am 27.10.2017)

Teil 8 von 9 in der Serie Wandertouren auf der Oder 2008

Am Morgen wache ich zeitig auf und orientiere mich kurz. Es ist immer ungewohnt, in einem Bett geschlafen zu haben, obwohl ich es diesem Sommer mehrfach machte.

Nur schnell einen Carokaffee genossen, die Kamera geschnappt und ab in die Gegend. Heute ist Samstag, und ich will am Vormittag mit der Bahn losfahren, um das Auto wieder aus Kuhbrücke (Küstrin-Kietz) abzuholen. Gestern rief ich zwischendurch noch die Tourist-Info in Lebus an und ließ mir von der netten Frau Janz eine Bahnverbindung von Schwedt bis Küstrin-Kietz heraussuchen. Ich muß auf jeden Fall von Schwedt erst nach Berlin-Lichtenberg fahren, dort umsteigen und nach Küstrin-Kietz weiterfahren, alles in allem etwa 4 Stunden, nicht viel für 90 km paddeln. Die Bahn fährt stündlich nach Berlin, und ich habe beschlossen, die um 10:00 Uhr zu nehmen.

So schlendere ich langsam an der HoFrieWa entlang, fotografiere hier und da und treffe dann auf den Fischer. Mit dem unterhalte ich mich längere Zeit, bis es 8:00 Uhr ist und ich zurück zum Hafen gehe. Am Ufer finde ich noch einige rote Johannisbeeren.

Ich koche mir einen schönen Frühstücksbrei und verzehre ihn zusammen mit den frisch geernteten Johannisbeeren, welch ein Genuss! Die Fahrradfahrer packen schon ihre Zelte ein und machen sich auf den Weg. Ich wasche in der komfortablen Küche ab und packe ein paar Sachen zusammen, die ich auf meiner Bahnfahrt mitnehmen will. Dann gehe ich zum Bahnhof, es sind etwa 1500 Meter. Als ich dort ankomme, bin ich enttäuscht über den Zustand des Bahnhofs (Bahnhof Schwedt / Oder, nicht Schwedt / Mitte!): Schwedt ist ansonsten eine sehr aufgeräumte Stadt, aber am Bahnhof sieht es grauenhaft aus. Der Fahrkartenautomat hat (derzeit)keine Funktion mehr. Eine Ratte läuft ungeniert herum. Ich schaue auf den Fahrplan und stelle fest, dass mein Zug an Wochenenden nicht jede Stunde, sondern alle 2 Stunden verkehrt. Also warte ich noch über eine Stunde.

Es ist warm und sonnig, und ich schaue mich ein wenig um, was es so gibt. Die nächste Häuserzeile liegt auf der anderen Seite des Bahndamms, etwa 60 Meter entfernt. Ich kann dort Menschen auf einem Balkon entdecken, als ich genau hinschaue, sind es zwei Frauen, und diese sind vollkommen unbekleidet und frühstücken in der Sonne an einem kleinen Korbtisch mit passenden Stühlen. Sie fühlen sich wohl weit weg von allem, so hinter dem Bahndamm. Eine lustige, anregende Erscheinung! Aber nachdem ich dann weggeschaut habe, sehe ich sie nicht wieder, sie sind wohl ins Haus gegangen.

Die Zeit bis zur Abfahrt vergeht schnell, und ich bekomme im Zug eine Fahrkarte ohne Aufschlag. Von der Bahn aus mache ich ein paar Fotos der Gegend sowie von einigen Kindern im Zug. So komme ich mit einer jungen Mutter ins Gespräch, sie zeigt sich beeindruckt von meiner Digitalspiegelreflexkamera. Ob ich nicht auch ein paar Fotos von ihr machen können. Naja, mache ich halt. Dann meint sie, sie hätte auch ein paar von sich auf ihrer Kamera, zeigt ein paar, dann welche nicht, sie meint, die wären nicht jugendfrei. wir reden noch ein wenig über dies und das, dann nimmt sie ihre Kamera noch einmal zur Hand und zeigt mir ihre gesamten Fotos, mannOmann! Diese Dame scheint mir entweder sehr unbedarft, vertrauensvoll oder absichtsvoll zu sein.  In Eberswalde, wo sie mit ihrer kleinen Tochter aussteigt,  gibt sie mir dann auch noch ihre Handynummer, nur SMS meint sie, damit ihr Freund nichts merkt....na, denke ich, hier kannst Du ja was erleben!

Die Strecke bis Lichtenberg habe ich einige Oberprolls im sehr vollen Wagen,  von denen einer seinen Sohn zur Mutter bringt, wie ich den Gesprächen entnehmen kann, die er zwischendurch mit dem Mobiltelefon führt. Er macht den armen kleinen Jungen danach unglaublich an, verarscht ihn nach Kräften und die Kumpanen tun fleißig mit. Ich bin nahe davor, mich dazwischen zu stellen, aber auf körperliche Auseinandersetzungen mit so einer Bande habe ich keine Lust, und so harre ich aus, bis sie aussteigen.

In Lichtenberg muss ich eine halbe Stunde warten, auch dort ist es interessant, den Leuten zuzuschauen. Die Großstadt bringt im Prinzip auch keine anderen Randgruppen hervor als kleine Städte. Dann kommt endlich mein Ziel-Zug nach Küstrin-Kietz, und es steigen sehr viele Polen ein.

Da ich schnell bin, bekomme ich noch einen Sitzplatz. Viele müssen stehen, in der Bahn gibt es einen Fahrkartenautomaten, und ich sitze genau davor. Der gibt vielen Leuten Rätsel auf, und ich versuche nach Kräften, mit Englisch zu erklären, was er tut und was nicht. Aber Englisch ist nicht die Stärke der Polen...

Dann steigt eine alte Dame aus, die neben mir gesessen hat, und eine junge Frau mit einem kleinen Kind im Kinderwagen setzt sich zu mir. Es stellt sich heraus, dass sie den wirklich vielen Fahrkartenkäufern alles genau erklären kann, und zwar sowohl auf Polnisch als auch auf Deutsch. Auf mein Nachfragen berichtet sie, von Polen aus nach Bremen gekommen zu sein, dort Deutsch und BWL zu studieren. Na dann ist es ja kein Wunder, denke ich.

Die Fahrt durch das Oderbruch dauert nicht lange,  und bald bin ich in Küstrin-Kietz angekommen. Der Bahnhof liegt vom Wasserwanderrastplatz 2 km entfernt. Obwohl der Fischer und Wirt mir 2 Tage zuvor angeboten hat, mich beim Bahnhof abzuholen, gehe ich zu Fuß. Ich brauche es, mir die Landschaft, durch die ich paddle, auch mal aus anderer Perspektive anzuschauen.

Das Wetter ist immer noch gut, die Wege staubig, die große Baustelle in Küstrin-Kietz zum Glück gerade stillgelegt (oder beendet?). Dort muss ich nämlich direkt vorbei. Die deutsche Seite hat hier eine Umgehungsstraße des Ortes gebaut mit Rampe zur Oder herüber. Die Polen haben allerdings eine andere Planung: ihre Schnellstraße verläuft einige Kilometer weiter flussabwärts, was das noch mal werden soll, weiß hier niemand. Denn dort ist wiederum auf deutscher Seite keine Straße, auch nicht in Planung! So wird wohl alles bleiben, wie bisher und der ganze LKW-Verkehr über die provisorische Brücke nach Kostrzyn nad Odra rollen. Die Anwohner sind natürlich begeistert!

Ich wandere also am Altarm der Oder entlang und bin bald beim Fischer angekommen. Dort ist fast gleichzeitig der Radler aus Sachsen eingetroffen, er hat also meine Empfehlung angenommen. Und er ist etwa 70 km mit der Rad gefahren, während ich die verschiedenen Eisenbahnstrecken genossen habe.

Ich halte noch einen Smalltalk mit Frau Schneider, dann besteige ich meinen Transporter und mache mich auf den Weg nach Schwedt. Den Rest des Tages in Schwedt verbringe ich damit, mir noch etwas die Gegend anzuschauen.