Oderbruchcamp Zechin bis Wriezen
Geschrieben am 27.07.2009 in Kanureisen (2009) — Alte-Oder, Oderbruch (Geändert am 05.07.2017)
Teil 4 von 6 in der Serie Alte Oder ab Reitwein bis Oderberg 2009
Am Morgen bin ich schon vor 7:00 Uhr fertig mit "allem" und habe mich schon mit der Putzfrau verabredet, sie will mich durch das verschlossene Tor lassen. Aber erst will ich mein Auto aus Manschnow holen und stehe bald an der Straße. Heute habe ich Glück und das 4. Auto hält an. Der Mann ist an meinen Touren interessiert, ich berichte ihm, wo ich so paddle und warum. Er fährt mich direkt zu meinem Auto, nimmt dafür noch einen Umweg von 2x 500 m in Kauf. Ich bin sehr glücklich, dass das alles so gut geklappt hat.
An der Einsetzsttelle Alte Mühle Manschnow klingele ich noch kurz bei der Besitzerin und bedanke mich. Ich erfahre, dass sie hier auch etwas mit Tourismus machen wollen, was ich sehr interessant finde. Dann fahre ich die knapp 10 km bis zum "Oderbruchcamp Zechin" und stelle mein Auto neben mein Zelt. Es ist jetzt schon 8:30 Uhr, ich nehme mein Kanu, das schon vorbereitet ist, und schiebe es zu dem Container, wo die Putzfrau an der Waschmaschine tätig ist. Sie unterbricht ihre Arbeit, um mich durch das Tor zu lassen und hilft mir noch, mein Kanu durch das hohe Kraut zu schieben. Ich erfahre von ihr, dass hier nur selten Wasserwanderer kommen, und ich denke, bei den Gegebenheiten ist das auch kein Wunder. Die Anlage ist "eigentlich" nicht schlecht, aber man sucht irgendwas Nettes und weiß nicht was, es fehlt wohl die "Seele des Betriebs", und Container statt Hozhäuser sind auch nicht ganz der Hit, bringen eben kein Flair. Die kleine Badeanstalt ist ganz OK, und tagesüber ist sie jetzt in den Ferien auch ganz gut besucht.
Immerhin ist die Putzfrau sehr sehr nett, ich weiß das zu schätzen. Dann verabschieden wir uns und ich bereite mein Kanu für die Weiterreise vor. Bald liegt es vollgepackt im Wasser. Naja, so voll ist es zum Glück nicht, ich habe nämlich beschlossen, heute bis Wriezen zu paddeln und von dort aus mit der Bahn wieder zum Auto und Zelt zurück zu kommen. Mit leichtem Gepäck im Kanu beginne ich also eine Paddeltour, deren Qualität ich nicht einschätzen kann. Dass hier wenig Kanutourismus stattfindet, muss ja auch irgendwelche Gründe haben.
Letschiner Hauptgraben: nahe Zechin
Der Letschiner Hauptgraben ist hier vollkommen gerade, und es wurde gerade gekrautet. Ab und zu stehen ein paar Weiden, Pappeln, Eichen und Erlen am Ufer, dadurch wirkt das Gerade nicht ganz so öd. Ein paar Rohrsänger turnen im Schilf, von dem noch Reste am Ufer zu sehen sind nach dem Krauten. Der Wasserstand ist gut, Strömung gibt es nicht viel.
Letschiner Hauptgraben, vor Basta
Unter einer aus roten Ziegeln gemauerten Brücke passe ich gerade so eben hindurch, gleich dahinter liegt eine dieser Krautmaschinen. Ich befinde mich in "Basta", ein Schild weist diese Stelle als Kanueinsetzstelle aus. Ein Stück flussabwärts sehe ich eine Krautmaschine in Aktion: von einer riesigen Weide ist eine Astformation abgebrochen und hat sich quer über den Letschiner Hauptgraben gelegt. Einer der beiden Männer, die die Maschine bedienen, versucht mit einer Motorsäge Herr der Lage zu werden und schafft es nach viel Bemühung auch. Das ganze Wasser liegt hier voller aufgestautes Kraut.
Krautmaschine am Letschiner Hauptgraben
Der andere Maschinenführer steuert die Krauschneidemaschine und versucht nun, abgeschnittene Äste mitsamt Kraut aus dem Wasser zu heben, um alles auf dem Ufer abzulegen. Durch die großen abgeschnittenen Äste ist der Gegendruck sehr hoch und der kleine Ponton hebt sich hinten fast komplett aus dem Wasser. Der Antrieb erfolgt mit Hilfe zweier Wasserjets, was sehr effizient zu sein scheint, das Design sieht russisch aus. Am Ende schaffen die Männer es, das Wasser frei zu bekommen und lassen mich durchpaddeln.
Krautmaschine in Action: die Maschine hebt den Schnitt an, der aus Kraut und Ästen besteht: hinten geht sie dabei in die Luft.
Diese Methode, das Kraut gleich nach dem Schneiden aus dem Wasser zu heben finde ich sehr sympathisch, da dabei weite Krautansammlungen vermieden werden. Das bedeutet aber, dass es auf dem Ufer liegen bleibt. Das ist der Nachteil. Im weiteren Verlauf des Letschiner Hauptgrabens wurde noch nicht gekrautet, da ist das Schilf ziemlich dicht und bis zu 3 m hoch.
Letschiner Hauptgraben beidseitig mit Schilf bewachsen: direkt vor dem Krauten
An der nächsten Brücke muss ich aus dem Fluss: eine Feldwegbrücke ist sehr niedrig, ich komme nicht durch. Zwei Männer sind gerade dabei, ein Schlauchboot klar zu machen und helfen mir kurz beim Umtragen. Sie wollen den Zustand der Brücke erkunden und einer von beiden lässt sich flach im Boot liegend mit der Strömung unter die Brücke treiben.
Letschiner Hauptgraben gerade, aber mit Gehölzen: viele Eichen und Eschen dürfen hier wachsen
Dort sieht er sich den baulichen Zustand genau an, leuchtet auch mit einer starken Taschenlampe alle Fugen und Sicken richtig aus. Ich paddle von der Rückseite ganz nahe heran, um alles mit ansehen zu können. Dann verabschiede ich mich mit einem netten Gruß und paddle weiter den hier relativ freien Kanal entlang.
Bahnmuseum Letschin am Letschiner Hauptgraben: hier ist auch ein offizieller Kanurastplatz
Die folgenden 2 km treffe ich eine Eisenbahnlinie, ein altes Gleis zweigt von der Hauptlinie noch nach rechts ab. Der Bahnhof von Letschin ist nahe, dann gibt es rechts einen Kanurastplatz, der Teil eines Eisenbahnmuseums ist. Das weitere Stück Graben an Letschin vorbei ist bald abgepaddelt, dann bin ich schon beim Wehr. Es gibt wie überall einen offiziellen Ausstieg mit Hinweisschild, ich verlasse also mein gut festgebundenes Kanu, um das Wehr zu erkunden. Der Höhenunterschied ist etwa 50 cm, die Kopffreiheit nicht besonders groß. So verzichte ich auf Experimente und schnalle lieber den Bootswagen unter mein Kanu. Von Letschin selbst sehe ich kaum etwas, da es nordöstlich von mir etwas abseits liegt.
Wehr Letschin im Letschiner Hauptgraben
Die Umtragestrecke beträgt ungefähr 100 m Teerstraße, und der Wiedereinstieg ist über den Stufensteg gut möglich. Da hier auch ein Parkplatz vorhanden und der Bahnhof nahe ist, könnte man hier auch gut seine Kanutour starten, den Wiedereinstieg als Einsetzstelle nutzen.
Wehr umfahren am Letschiner Hauptgraben
Als ich wieder einsetze ist es ca. 11:00 Uhr, den kleinen Brückenschwall aufwärts hätte ich gerne noch mitgenommen, aber ich bin ja am Steg darunter. Fröhlich pfeifend verabschiede ich mich in Gedanken von Letschin, ich bin guter Hoffnung, die noch verbleibenden 19 km bis etwa 17:00 Uhr schaffen zu können, warum auch nicht. Nach etwa einer Stunde treffe ich die offizielle Kanueinsetzstelle Sietzing an der Straßenbrücke Sietzing-Neubarnim. Sie interessiert mich in diesem Fall jedoch nicht, und ich paddle weiter.
Letschiner Hauptgraben ganz gerade: unterhalb Sietzing
Der Letschiner Hauptgraben ist abwechslungsreicher als ich mir vorgestellt habe, es gibt doch immer wieder Bäume, Uferpflanzen und Windungen. Ich finde alles interessant und denke, man könnte dieses Gewässer kanutouristisch eigentlich mehr als bisher nutzen. (Später hörte ich von örtlichen Kanuvermietern, dass das Schilf oft alles zuwuchert, so dass man kaum noch durchkommen kann).
Letschiner Hauptgraben, Windbruch
Dann, um kurz nach 12:00 Uhr, werde ich in meinen Gedanken und Paddelschlägen gebremst: eine umgestürzte dicke Weide hat eine größere Menge Schilfschnitt gesammelt. Ich stoße bis zur Weide vor und steige über die Kanuspitze aus dem Boot, schiebe es dann sacht über die frisch umgefallene Baumleiche. Mühevoll steige ich wieder ins Kanu und setze meine Kanutour fort. Ich finde es lustig, sehe dann aber eine weitere frische Weide im Wasser liegen: nun muss ich aber wirklich das Kanu über Land ziehen, beim Aussteigen bekomme ich einen nassen Fuß, was bei der Wärme nicht weiter schlimm ist. Am nächsten gleichartigen Hindernis um 13:12 Uhr schiebe ich mich durch, immer noch frohen Mutes.
der nächste Windbruch auf dem Letschiner Hauptgraben
Ich befinde mich jetzt auf der Höhe von etwa Neutrebbin / Alttrebbin, komme an Herrnhof vorbei. Die Weiden stehen alle noch. Es gibt ein paar Äpfel an überhängenden Ästen zu pflücken, ich bediene mich freudig und schamlos. Das Wehr in der Nähe von Herrnhof ist abgebaut, dort bremsen nur Aufstauungen von abgemähtem Schilf, aber ich schaffe es, durchzupaddeln. Die folgende alte Brücke war wohl einmal eine kombinierte Straßen - und Eisenbahnbrücke, sie ist von Pflanzen total überwuchert. Ich muß meinen Kopf ziemlich einziehen, so niedrig ist sie. Links von mir beginnt ein großer Windpark. Die Rot-Weißen Rotorblätter drehen sich rasch, ich selbst bekomme vom Wind kaum etwas mit, da dieser Graben ziemlich niedrig in der Landschaft liegt.
weiterer Windbruch
Gegen 14:30 Uhr ist meine Fahrt vorerst zu Ende. Von rechts mündet ein etwa 7 m breites Fließ ein, das muss die Volzine sein, und ab jetzt soll das ganze Gewässer so heißen. aber es geht vorerst nicht weiter: ein Nadelwehr mit davor liegendem Schilfstau hindert mich am Weiterpaddeln. Also lege ich irgendwo an und steige aus, was ganz gut ist, da ich sowieso einen Gang in die Gegend mit dem Klappspaten machen muss.
Letschiner Hauptgraben: das Wehr bei Bochows Loos
Als ich wieder beim Kanu bin, kommt ein Transporter angefahren und ein Mann steigt aus: er gehört zur Truppe, die die Gewässer krauten, ist für das Herausholen des Schnitts zuständig und will sehen, ob schon was angekommen ist. Ich berichte ihm von den insgesamt 4 umgestürzten Weiden. Er erzählt mir, wo gerade gekrautet und geräumt wird und wann die Gewässer wieder frei sein werden, was für mich sehr bedeutsam ist, da ich in den kommenden Tagen noch alle anderen Oderbruchgewässer abpaddeln will. Nach einem ausführlichen Austausch über Gewässerverhältnisse mache ich mich auf, noch kurz die letzten 5 km zu paddeln: das kann ja nicht allzu schwer sein, denke ich. Es ist jetzt ca. 15:30 Uhr und es sieht nach Regen aus.
Kurz darauf regnet es bereits, und ich spanne meinen großen Anglerschirm auf. Er kommt in meine Knierolle, und diese klemme ich mir senkrecht zwischen meine Beine. So kann ich paddeln und bei Bedarf auch fotografieren.
Volzine, mehr Windbruch
Eine Viertelstunde später liegt wieder eine große Weide quer über der Volzine, wie die Alte Oder jetzt heißt. Davor liegt, wie könnte es anders sein, eine gewisse Menge angeschwemmtes Schnittgut. Da kämpfe ich mich hindurch, um dann bei der Weide angekommen feststellen zu müssen, dass ich aus meinem Kanu aussteigen muss. Ich drücke bis zum Baum vor, halte mich an einem kräftigen Weidenast fest und ziehe mich aufs Ufer. Mein Kanu habe ich dabei an der Leine, und während ich mich um die Weide herumbewege, ziehe ich es über das Geäst und den Schilfhaufen hinweg. Dann will ich wieder einsteigen, was nicht so einfach ist. Es dauert schon einige Minuten, bis ich hier durch bin. Noch nehme ich es mit Humor, denke, naja, ein oder zwei Weiden, was macht es schon.
Volzine, Windbruch
Dann kommt die nächste, dann noch eine und noch eine. Als ich endlich durch bin, habe ich noch einmal sieben kapitale Weiden überwinden müssen, mal drunter und mal drüber. Daher ist die Uhr auch schon nach 17:00 Uhr, als ich endlich Wriezen erreiche. Bis ich dann bei meinem Ziel, dem Hafen, angelangt bin, ist es bereits 17:20 Uhr.
Im Hafen Wriezen: Wriezener Alte Oder
Hier befindet sich der Kanuverleih der Familie Brennecke. Diese ist sehr rührig, betreibt einen kleinen Wasserwanderrastplatz zum Zelten und hat auch Zimmer. Die Kanus werden auch transportiert, so daß man praktisch von jedem Ort aus zu jedem Ort im Oderbruch und dem Finowkanal paddeln kann.
Ich frage, ob ich mein Kanu solange bei denen sicher abstellen kann, bis ich mit meinem Auto zurück bin. Das geht klar, und ich wandere zum nahen Bahnhof (1,5 km) , um mit der Bahn nach Gorgast zu fahren. Am Bahnhof warte ich erstmal, denn ich habe jemanden gefragt, wann der nächste Zug nach Küstrin fährt: der meinte, die Züge würden ja stündlich fahren, der nächste also gegen 19:20 Uhr.
Der kommt auch, fährt aber nicht nach Küstrin-Kietz, sondern nach Frankfurt. Ich frage den Zugführer nach einem Zug nach Küstrin-Kietz, und er antwortet, dass es heute keinen mehr gibt. Also wandere ich zurück zum Hafen, um mich von einem Fahrer der Familie Brennecke nach Zechin fahren zu lassen. Die haben jedoch keine Zeit, da noch nicht alle Kanus abgeholt worden sind, und so rufen sie mir ein Taxi. Für richtig viel Geld lasse ich mich die gut 20 km nach Zechin bringen, das tut richtig weh. Ich schwöre mir, in Zukunft gründlicher zu planen, um solche Kosten zu vermeiden.
Mein Kanu lasse ich in Wriezen stehen, das hatte ich so verabredet angesichts der veränderten Umstände. Am Campingplatz koche ich mir noch schnell ein Fertiggericht, wasche ab und falle dann halbtot in meinen Schlafsack. Leider ist es bis kurz vor 22.00 Uhr noch sehr laut, da die örtliche Line-Dance-Gruppe für ihren Wettbewerb üben muss. Dann ist endlich Ruhe, und ich schlafe durch bis fast halb sieben Uhr.