Kanu & Natur

ein persönliches Blog von Jürgen Clausen

2. Abschnitt auf der Oder am Freitag

Geschrieben am 16.05.2018 in Kanureisen (2018) —   Alte-Oder, Oder, Oderbruch (Geändert am 17.05.2018)

Teil 3 von 5 in der Serie Oder und Oderbruchgewässer am langen Himmelfahrtswochenende

Nach dem gestrigen Gewitter ist der Himmel am heutigen Freitag Morgen  bedeckt und es ist recht kühl. Leichter Wind weht aus Nord. Also werden wir wohl mit Gegenwind rechnen müssen.

Wir finden es heute Morgen im Zelt gemütlicher und lassen uns Zeit beim Aufstehen. Als ich mal muss, wandere ich über den Deich zur Wildnis am Laufgraben hinüber. Dort steht direkt vor dem Laufgraben unter einer riesigen Weide eine Biberburg. Ein Brandgans-Männchen fliegt wieder seine Runden. Ich denke, es gibt ein Nest irgendwo in der Uferwand des nahen Laufgrabens. Womöglich sind auch schon kleine Brandgänse geschlüpft und schwimmen umher.

Von allen Seiten ertönt das Froschkonzert. Über mir singen in zwei Pappeln zwei Pirole. Als eine Krähe im Anflug ist, hören beide zu singen auf und verjagen die Krähe. Es sind Weibchen, das Gelb im Gefieder ist nicht so stark ausgeprägt wie bei Männchen und eher grünlich. 

Biwak in Zollbrücke

Biwak in Zollbrücke

Wir holen unser Mittagessen von gestern nach, kochen verschiedene Gemüse mit geschliffenem Dinkel und Knoblauch. Unser Anglerschirm dient uns dabei als Windschutz, der Kocher steht auf der Bugspitze unseres Holzkanus. Der Wind kommt exakt aus der anderen Richtung wie gestern.

Während wir nach dem Essen abwaschen und unsere Zelte abbauen, hören wir ein merkwürdiges Knurren, das wir zunächst für Rufe einer Brandgans halten. Als es sich uns aber nähert, ist es das Grunzen eines sehr kleinen Frischlings! Wir haben also Besuch von einem sehr kleinen Wildschwein.

Der Frischling erschrickt ebenso wie wir. Von der Bache ist aber nichts zu sehen, und es kommen auch keine weiteren Frischlinge. Das Kleine dreht bei und galoppiert zum Deich des verlandeten Sportboothafens hinüber. Wir sind aufgeregt und sehr erfreut!

einsetzen in Zollbrücke

einsetzen in Zollbrücke

Als ich einen kleinen Spaziergang mache, um meine Muskeln aufzulockern, entdecke ich im Rest-Wasser des verlandeten Sportboothafens eine Graugansfamilie. Es sind 4 Küken dabei, die sehr klein aussehen und wohl erst wenige Tage, wenn nicht Stunden alt sind. Dort im Uferbereich blühen sogar schon Schwertlilien. Am polnischen Ufer ruft ein Grünspecht.

Zwischendurch wandere ich auch noch zum Restaurant in Zollbrücke, um unseren zweiten Wasserkannister zu füllen und eine Küchenrolle zu erstehen. Ich werden bestens bedient und freue mich darüber sehr.

Als Kanus und Ausrüstung wieder am Steg liegen und wir abfahrbereit sind, ist es bereits kurz nach Mittag. Die Oder strömt immer noch mächtig, und so macht uns der Gegenwind nicht viel aus. Natürlich ist es trotzdem anstrengender als gestern bei Rückenwind.  

Bald paddeln wir auf die Brücke bei Bienenwerder zu. Hier steht nicht nur diese Stahlkonstruktion, die nach dem Krieg aus Resten wieder aufgebaut, aber nie genutzt wurde. Es stehen auch noch Reste von Brückenpfeilern in der Oder, die darauf hin deuten, dass es auch noch eine weit ältere Brücke gegeben haben muss. Eine Besonderheit ist hier, dass diese ein Gewölbe quer zur Strömung bilden, durch das noch heute Oderwasser fließt.

 

Sportboot-Anleger in Zollbrücke

Sportboot-Anleger in Zollbrücke

Als wir noch mit Einsetzen beschäftigt waren, hatte eine Gruppe Paddler Zollbrücke passiert. Jetzt sehen wir die Paddler wieder: sie haben nach einer Pause wieder eingesetzt. Dort, wo sie pausiert haben, wollen wir ebenfalls anlegen. Es ist 15:15 Uhr, und wir haben Hunger. 

Unser Pausenplatz bietet uns wieder ein tolles Vogelkonzert. Ein Drosselrohrsänger verteidigt lautstark sein Revier, wobei er seinen Standort alle paar Strophen wechselt.  Immer wieder setzt er sich auf einen dicken Weidenstumpf und schmettert sein "karre-karre-riet-riet-riet"  laut über die Oder. Aus einiger Entfernung ist ein Wachtelkönig zu hören.

Wir haben erneut Nachtigallen, verschiedene Rohrsänger, Mönchsgrasmücken und Singdrosseln ganz nahe um uns herum. Ab und zu sind auch Kraniche zu hören. Bisweilen fliegen sie recht niedrig über uns hinweg oder sie kreisen. In Ufernähe platscht ab und zu ein größerer Fisch.

Seeschwalben an der Oder

Seeschwalben an der Oder

Bis zu der Stelle, wo wir in den Laufgraben umtragen wollen, haben wir noch etwa drei Kilometer zurück zu legen. Wir lassen uns Zeit und genießen die schöne Natur um uns herum. Als wir die Umtragestelle kurz vor km 660 erreichen, können wir wegen des hohen Wasserstands nicht direkt neben der Beton-Buhne aussetzen wie gewohnt. An einer Stelle in der Nähe geht es aber recht gut. Unser Umtrageweg verlängert sich dadurch um etwa 30 Meter und führt umständlich in engen Kurven durch Schilf. 

Langsam tragen wir Ausrüstung und Kanus hoch bis auf die Deichkrone (etwa 150 Meter)  und legen eine kleine Verschnaufpause ein. Vom Deich zum Laufgraben sind es dann nur noch etwa 60 Meter. Das ist alles überschaubar. Das Umtragen hat etwa eine Stunde gedauert, inklusive Smalltalks mit verschiedenen Passanten, die hier gerne mal über den Oder-Neiße-Radweg auf die Oder schauen. 

ungenutzte Brücke in Bienenwerder

ungenutzte Brücke in Bienenwerder

Pause am polnischen Oderufer

Pause am polnischen Oderufer

Es ist etwa 17:00 Uhr, als wir unsere Fahrt nun im Laufgraben fortsetzen. Das Vogelkonzert ist noch intensiver, da das Gewässer schmal ist. Seltsame Pflanzen bedecken weite Uferbereiche: wir haben es mit einer tropischen Unterart des Schwimmfarn zu tun, dem "Algenschwimmfarn". Unsere Theorie ist, dass Störche ihn aus Afrika eingeschleppt haben könnten. 

Auf einer Gruppe von hohen, sehr zerklüfteten Weidenbäumen sitzen zwei dunkel aussehende Greifvögel. Beim Näherkommen sehen wir, dass es sich um Schwarzmilane handelt. Auch einen Neuntöter entdecken wir auf einem kahlen Zweig: er singt uns ein sehr melodisches Lied! Das haben wir bei einem Neuntöter bisher erst einmal erlebt.

Algen-Schwimmfarn im Laufgraben

Algen-Schwimmfarn im Laufgraben

Wir paddeln noch eine ganze Weile, bevor wir uns an einem einsamen, ungemähten Biwakplatz zur Nacht niederlassen. Ein Schwanenpaar überfliegt uns, und wir sehen immer wieder Graugänse und Kraniche. Alexander gelingt es, eine winzige Limikole auf einem Maisacker zu entdecken und zu fotografieren. Als wir neugierig das Foto betrachten, sehen wir, dass es sich um einen Flussregenpfeifer handelt. Wir vermuten, dass er an einer der Restwasserflächen auf dem Acker brütet. Über der angrenzenden Wiese jagt ein Schwarzmilan, und er scheucht dabei auch einen Kiebitz auf. 

Wir stellen unsere Zelte auf und essen Abendbrot. Während wir dann im Zelt liegen, hören wir noch immer Grau- und Goldammer singen, und die Nacht über singt auch die Nachtigall einfach weiter.

im Laufgraben

im Laufgraben

Biwakplatz im Oderbruch

Biwakplatz im Oderbruch

Oder und Oderbruchgewässer am langen Himmelfahrtswochenende

  1. Anreise an die Oder bei Küstrin-Kietz am 9. Mai
  2. 2. Abschnitt auf der Oder am Freitag
  3. Ein Tag an Land und dann der Abreisetag