Kanu & Natur

ein persönliches Blog von Jürgen Clausen

Himmelfahrtstag auf der Oder

Geschrieben am 16.05.2018 in Kanutagebuch (2018) , Kanureisen (2018) —   Alte-Oder, Oder, Oderbruch (Geändert am 20.08.2018)

Teil 2 von 5 in der Serie Oder und Oderbruchgewässer am langen Himmelfahrtswochenende

Am Donnerstag Morgen erwachen wir früh, und um die anderen Camper nicht zu stören, klappern wir nur leise mit unserer Ausrüstung. Viele Vögel singen kraftvoll und melodisch um uns herum, und die Sonne lacht. Es weht ein sanfter Wind aus östlicher Richtung. Sollten wir tatsächlich so etwas wie Rückenwind genießen dürfen? Wir trauen uns noch gar nicht, uns darüber zu freuen.

Bei allen Verrichtungen lassen wir uns viel Zeit, so dass es 10:00 Uhr durch ist, als wir unsere Kanus und Ausrüstung bis zur Einsetzstelle hinunter gebracht haben. 

Das Wetter ist geradezu ideal: die Sonne scheint, es ist etwa 22 Grad warm und es weht ein schwacher Wind von hinten. Während wir mit langsamen Paddelschlägen und 7-8 km/h voran kommen, versuchen wir so viel wie möglich Eindrücke der Natur um uns herum wahrzunehmen: wir hören oft Kraniche, und ab und zu sehen wir kleine Trupps von ihnen. 

Am polnischen Ufer sehen wir ab und zu einen Weißstorch, und einige segeln auch hoch oben in der Luft umher. Auf den Buhnen sitzen fast regelmäßig Gänsesäger-Pärchen. Groß ist die Aufregung, als wir dann den ersten Seeadler entdecken: er sitzt auf einem kleinen Strand. Eine Nebelkrähe steht direkt in seiner Nähe. Einige Brandgänse fliegen dicht über dem Wasser. 

Wir lauschen dem Gesang von Grauammern und nehmen in der Ferne die Rufe eines Schwarzspechtes wahr.

 

ein Weißstorch an der Oder

ein Weißstorch an der Oder

Die Oder hat einen recht hohen Wasserstand, so dass der größte Teil der Buhnen immer überspült ist und die Buhne insgesamt das schnell fließende Wasser aufwühlt. Wir halten gebührlichen Abstand, um keine Steine zu berühren. Die Tonnen sind an vielen Stellen ungewöhnlich plaziert: manchmal ist das Fahrwasser für die Motorschiffe in den Kurven sehr eng, und manchmal verläuft es auch nahe dem Ufer. Fällt das Wasser eines Tages, werden sich hier viele Sandbänke und Flachstellen etablieren.

Vom polnischen Ufer ertönen fast die gesamte Fahrt über die Rufe vieler Frösche. Manchmal sind auch Laubfrösche darunter. An verschiedenen Stellen lässt ein Wachtelkönig sein lautes, heiseres "Krex Krex.... Krex Krex" ertönen.

auf der Oder bei Küstrin

auf der Oder bei Küstrin

An einer Kiesverladestation gibt es ein wenig Lärm, der wegen des Süd-Ost-Windes auch für eine Weile anhält. Die Nachtigallen, Pirole und vor allem die Drosselrohrsänger sind allerdings lauter, zum Glück. Beidseitig sitzen viele Angler, viele mit großen Schirmen oder Zelten. Ein kleines Motorboot kommt uns entgegen, so dass wir uns in die Wellen drehen müssen. (Auf unserer gesamten Fahrt werden es nur sehr wenige Motorboote).

Bei Kienitz wandern Leute auf dem Deich und scheinen auch den Feiertag wie wir zu genießen. Kaum sind wir hier am letzten Haus, der Mühle, vorbei gepaddelt, sehen wir auch schon die Türme von Groß Neuendorf. Auch dieser Ort ist bald nicht mehr zu sehen, so schnell kommen wir voran. 

Am rechten Ufer steht ein Storch, er hält sich dort zusammen mit einigen Nebelkrähen auf. Auf einmal zuckt sein ganzer Körper, und er holt sich ein Beutetier aus dem seichten Wasser. 

mit zwei Kanus auf der Oder

mit zwei Kanus auf der Oder

Nun will ich etwas testen: ich packe den Anglerscjhirm aus und nehme ich vorsichtig in die rechte Hand. Da ich sehr viel Gepäck im Kanu habe, ist mir nicht klar, was nun passieren wird. Alle Befürchtungen sind komplett unbegründet, und ich halte mit rechts den Schirm fest in meiner Hand, während ich mit der linken mein Paddel als Steuer benutze. Auf diese Weise bin ich ohne einen einzigen Paddelschlag schneller als vorher mit dem Paddel. Ich lasse Gundula und Alexander bald ein Stückchen hinter mir, und da ich das nicht will, nehme ich den Schirm nach einer Weile hinter meinen Rücken, so dass die Windangriffsfläche kleiner und durch die Rundung weit weniger wirkungsvoll ist. Spaß macht es trotzdem.

Rückenwindsegeln auf der Oder

Rückenwindsegeln auf der Oder

Ich teste, ob der Wind auch beide Kanus ziehen kann. Gundula hält sich an meinem Süllrand fest, und hoppla!, es geht wunderbar. So binden wir kurzerhand beide Kanus zusammen und für eine ganze Weile haben wir genügend Wind, um kaum paddeln zu müssen. 

Da wir reif für eine Pause sind, suchen wir uns eine schöne Stelle am polnischen Ufer. Während wir Nachtigallen, Drosselrohrsängern, Kranichen, Schilfrohrsängern und anderen Singvögeln lauschen, die direkt um uns herum in den hohen Weiden turnen, kochen wir uns Tee und essen unser zweites Frühstück. Wir erfreuen uns sehr an diesen intensiven Naturerlebnissen durch die üppige Tier- und Pflanzenwelt um uns herum. Auch hier singen Goldammern und Grauammern.

Ein Fischadler über der Oder

Ein Fischadler über der Oder

Nach unserer Pause paddeln wir ohne Schirm weiter. Die Bewegung tut der Verdauung gut. Immer wieder ziehen Kraniche über uns hinweg, und auch Graugänse lassen sich ab und zu in kleineren Trupps blicken.

Von weitem sehe ich einen großen Vogel auf einem kahlen Ast sitzen. Ich teile meine Beobachtung mit Alexander und Gundula. Alexander hat ihn ebenfalls bereits entdeckt und macht Fotos. Dann stellen wir fest, dass wir beide zwei verschiedene Seeadler sehen: ich am linken Ufer und Alexander rechts. Witzigerweise fliegen beide fast gleichzeitig auf, tauschen für kurze Zeit ihre Plätze, bis der eine dann davon fliegt.  

Während der gesamten bisherigen Tour treffen wir immer wieder Seeschwalben. Zu unserer großen Freude sind es nicht nur Küsten- und Flussseeschwalben, sondern auch Trauer-, Weißbart- und Weißflügelseeschwalben. Auch ein kleiner Trupp Rotschenkel ist zu hören, und Alexander fotografiert eine Limikole, die wir nicht ohne Buch bestimmen können. Auch Kiebitze kommen hier vor. Wir beobachten eine Rohrweihe, die ein kleines Beutetier in ihren Klauen hält und damit an einer mit Schilf bewachsenen Uferstelle verschwindet. Sicher hat sie dort ein Nest.

Ein Seeadler an der Oder

Ein Seeadler an der Oder

Die letzten Kilometer vor unserem Ziel braut sich rechts von uns eine Gewitterfront zusammen. Bald hören wir es auch grummeln. Alexander schaut auf ein Wetterportal im Internet und meint, es würde noch etwa 1,5 Stunden dauern, bis wir mit dem Gewitterregen und Sturm rechnen müssen. 

Wir passieren die einzige Fähre zwischen Deutschland und Polen in Gozdowize / Güstebieser Loose. Der Wind hat nachgelassen, weshalb wir ab hier kräftiger paddeln müssen. 

Gegen 18:00 Uhr ereichen wir Zollbrücke und lassen uns bei der Sportboot-Anlegestelle auf dem kurz geschnittenen Gras vor dem Deich häuslich nieder. 

Während wir unser Tarp und die Zelte aufbauen, umfliegen uns einige Brandgänse in großen Kreisen. Der Wind frischt kräftig auf und wird fast zum Sturm. Nur mühsam gelingt es uns, auch noch die letzten Abspannungen anzubringen. Als wir fertig sind, bricht das Gewitter mit kräftigen Schlägen und heftigem Regen über unseren Zelten herein. Wir legen uns einfach auf unsere Isomatten und schlafen sogar ein. Nach etwa einer Stunde ist das schlimmste vorbei. Da wir keine Lust mehr zum Kochen haben, essen wir Brot, das Gundula zuhause noch gebacken hat. Da singen bereits wieder die Pirole.

Auf der Oder bei Zollbrücke

Auf der Oder bei Zollbrücke