Kanu & Natur

ein persönliches Blog von Jürgen Clausen

Havel von Lutze bis Rathenow

Geschrieben am 09.07.2009 in Kanureisen (2009) —   Untere-Havel (Geändert am 05.07.2017)

Teil 9 von 13 in der Serie Solo-Kanutour auf der Unteren Havel 2009

Gundula hat gestern Abend am Telefon die Wettervoraussage für meine Region vorgelesen: wenig Wind, dafür Regen über Regen über Regen. Beim Aufstehen, Duschen etc. ist es noch trocken, ich beschließe, an einem Picknicktisch mit großem Überdach (mit Regenrinne!) zu frühstücken und schaffe all meine Sachen dorthin. Der Himmel graut, ich versuche, noch vor Ausbruch des kommenden Gusses mein Zelt trocken abzubauen. Das mißlingt mir, das Innenzelt bekomme ich aber trocken unter dem Außenzelt herausgeschält. Ich lagere es in einem Trockensack, das Außenzelt irgendwie. Dann frühstücke ich unter Dach mit Blick auf die Havel, die hier ein etwa 400 m schmaler See ist. Es gießt in Strömen, ich rufe noch einmal Gundula an und bitte um einen Blick auf das Regenradar. Danach soll das Niederschlagsgebiet bald vorbei sein, also frühstücke ich frohen Mutes weiter. Notfalls nehme ich eben einen richtigen Regenpaddeltag in Kauf, nur das Fotografieren gestaltet sich dann etwas schwierig.

Frühstück bei Regen

Frühstück bei Regen

Nach dem Frühstücken packe ich alles wie gewohnt in mein Holzkanu, aber erst, nachdem ich mit Eimer und Schwamm mindestens 20 Liter Wasser herausgeholt habe. Dann hört der Regen auf, und als ich ablegen will, kann ich tatsächlich ein Foto machen.

Regentag auf der Havel

Regentag auf der Havel

Es weht fast kein Wind, und die nächsten Stunden regnet es immer mal wieder, aber nur kurz. ich habe noch 4,5 km Seenhavel zu durchpaddeln. Wald und Ortschaften wechseln sich ab, links taucht ein weiterer Campingplatz auf, das Schild weist auf eine Betriebssportgruppe hin und "privat" steht drauf. Auch in Kützkow gibt es einen, das scheint jedoch ein ausgewachsener Campingplatz zu sein, und so steht es auch in meinem Tourenatlas TA5. Rechts von mir sehe ich noch die Brücke, unter der ein kurzer  Kanal zum Pritzerber See führt: eigentlich würde ich gerne auch dahinein paddeln, verzichte dann aber doch darauf. Wie so oft, verschiebe ich dieses Vorhaben.

Seilfähre Pritzerbe

Seilfähre Pritzerbe

Also paddle ich links die Havel weiter, eine kleine Seilfähre (nicht Gierfähre!!) verkehrt zwischen Kützkow und Havelsee/Pritzerbe. Rechts dahinter könnte man gut an einem seichten, sandigen Ufer anlegen. Die folgende Havel hat einen völlig anderen Charakter als vorher: ein nur etwa 80-100 m breiter Fluss mäandriert durch eine Niederungs-Landschaft, wobei es fast permanent Altarme der Havel, aber keine Seen mehr gibt. Die Ufer sind zerklüftet, es gibt an vielen Stellen kleine Inseln.

Havel - Schleuse Bahnitz

Havel - Schleuse Bahnitz

Die Schleuse Bahnitz kommt in Sicht: ich will rechts durch die Kahnschleuse paddeln und dann den Altarm für meine Fahrt nutzen. Leider ist da gerade eine Baustelle, es wird das Wehr erneuert. Als ich bei der Ausstiegsstelle der Schleuse anlange und aussteige, ist es 12:16 Uhr und es regnet ein wenig. Ich fordere mit Hilfe der Sprechanlage eine Talschleusung an, die dann auch bald erfolgt.

Pausenplatz in Bahnitz an der Havel

Pausenplatz in Bahnitz an der Havel

Einen Kilometer unterhalb der Schleuse Bahnitz liegt links das Dorf Bahnitz, das mich mit diversen Anlegemöglichkeiten überrascht. Es gibt sowohl einen großen Schwimmsteg zum Restaurant gehörig als auch mehrere flache Uferteile, einen davon extra für Kanuten gemacht. Das Dorf hat auch einen Rastplatz mit Schutzhütten eingerichtet, was ich sehr löblich finde.

Havel bei Döberitz

Havel bei Döberitz

Hinter km 85 will ich den rechten Altarm befahren, lande jedoch bald in völlig flachem Wasser, das eine Weiterfahrt nicht zulässt, jedenfalls nicht bei mittleren sommerlichen Wasserständen. Also paddle ich zurück zum Hauptarm. Die folgenden Dörfer warten mit vielen Havel Altarmen und Sumpfflächen auf, kein Wunder, dass ich hier einige Fischadler sehe. Bei km 90 finde ich wieder eine sandige Anlandemöglichkeit in der Natur. Dann kommt Premnitz in Sicht, das mit einem Gemälde versehene Speichergebäude ist schon von weitem sichtbar. Als ich näherkomme, will ich eigentlich am Schwimmsteg anlanden, um mir ein wenig die Stadt anzuschauen. Er ist auch schön niedrig, aber von sehr vielen unfreundlichen Anglern befallen, die mir auf keine Frage antworten, einfach wegschauen und ziemlich "rechts" aussehen. Also lasse ich meine Absicht sausen und paddle weiter. Ich hoffe, das ist nicht "Premnitz", sondern nur eine unglückliche Momentaufnahme dieser Stadt.

Premnitz an der Havel

Premnitz an der Havel

Ich suche eine Übernachtungsmöglichkeit, denke, entweder die Jugendherberge oder der örtliche Kanuclub sollte dafür gut sein. Als ich die Gebäude des Kanuclubs erblicke, graust es mich ob des Zustands sowohl der Gebäude als auch des Rasens. Hier möchte ich nicht zelten, dann lieber richtig in der Natur. Kurz hinter der Brücke der Straße von Premnitz nach Milow (ja, eine der wenigen Brücken, die es überhaupt über die Havel gibt!!) fließt links die Stremme in die Havel, und dort soll die Jugendherberge sein, die auch einen Biwakplatz unterhält. Auf der Lutze hatte ich schon gehört, dass dort wegen Umbaus geschlossen ist. Ich denke jedoch, der Biwakplatz kann doch trotzdem geöffnet sein, und frohen Mutes paddle ich in die Stremme hinein.

Biwakplatz in Milow an der Stremme

Biwakplatz in Milow an der Stremme

Nach ein paar freundlich gestalteten Häusern kommt tatsächlich ein Platz mit gemähtem Rasen: eine Art Schwimmsteg (besser als gar nichts, denke ich wohlwollend) ermöglicht mir den Ausstieg aus meinem Holzkanu. Ich gehe etwas umher, schnuppere die Luft von Milow. Es gibt ein Trockenklo, ich stelle bei meiner Inspektion fest: es ist unbenutzbar, da geht man lieber mit dem Klappspaten. Der Platz scheint den Reifenspuren zufolge vom Ort aus zugänglich zu sein, und darauf habe ich keine Lust. Also beschließe ich, obwohl es schon nach 15:00 Uhr ist, bis Rathenow zu paddeln und dort die Örtlichkeit des Kanuvereins zu testen. Es sind noch 11 km, also werde ich gegen 18:00 Uhr dort sein. Seit der Schleuse Bahnitz gibt es ein wenig Strömung, auch wenn es nur 0,5-1km/h sein sollte, ist es deutlich zu merken.

Havel-Altarm bei Mögelin

Havel-Altarm bei Mögelin

Bei km 96, also vor Mögelin, paddle ich in den Altarm, ich bin auf der "Mögeliner Havel". Hier gibt es ein wenig Dorfleben und freundliche Leute. Nach einigen kurzen Pläuschchen paddle ich weiter, ich begegne sogar einem Kajakfahrer, der sein Abendtraining abhält. Bei km 99 bin ich wieder auf der Stromhavel. Tatsächlich strömt es hier mehr als im Altarm.

Eisenbahnbrücke Rathenow

Eisenbahnbrücke Rathenow

Bei km 101 ist Rathenow schon in Sicht: die Eisenbahnbrücke wird erneuert, es wird geschweißt und geflext. Ich sehe einen hohen Turm aus dem Wald auf einem Hügel aufragen und frage mich, wie weit man hier wohl schauen kann. Es ist 17:26 Uhr.

Bevor ich die Gabelung der Havel erreiche, wo ich rechts in die Stadt abbiegen kann, kommen mir einige Rennkanuten beim Training entgegen, natürlich mit Motorboottrainer. Diesmal erscheint es mir nicht ganz so lächerlich wie in Werder. Der Trainer ist aber auch nicht so intensiv mit seiner Stimme. Dann bin ich an der Abzweigung und paddle rechts in die Stadt Rathenow hinein.

Beim Wassersportverein Rathenow

Beim Wassersportverein Rathenow

Links sehe ich zunächst die WSA-Flussmeisterei, dann ein Wehr, darauf folgen noch 2 weitere. Meine Uhr zeigt 17:50 Uhr. Rechts liegt der WSV Rathenow, eine sehr gepflegte Anlage. Ich frage die Männer am Schwimmsteg nach Übernachtungsmöglichkeit. Sie bejahen freundlich, und ich werde zu einem kleinen Strand geleitet, der direkt an der Zeltwiese liegt. Nur etwa 7 m vom Havelufer baue ich heute Abend mein Zelt auf. Ein paar feuchte Sachen kann ich unter einem Überdach aufhängen, nachdem ich  eine meiner Leinen dort anbrachte.

Dort koche und esse ich auch, unterhalte mich noch ausführlich mit ein paar Leuten aus dem Verein. So geht der Abend zu Ende, ich mache mich bettfein und befülle meinen Schlafsack. Im Gebäude gegenüber wird auch nachts gearbeitet, es gibt permanente Geräusche, etwas ungewohnt. Ansonsten sind nur Gärten und weitere Vereine in der Nachbarschaft.