Kanu & Natur

ein persönliches Blog von Jürgen Clausen

Altfriesack und Rhinluch

Geschrieben am 13.08.2006 in Kanureisen (2006) —   Rhin, Rundtour (Geändert am 05.07.2017)

Teil 9 von 16 in der Serie Müritz - Rhin - Havel - Rundtour 2006

Wustrau entpuppt sich als geschichtsträchtiger Ort, in der Preussenzeit war hier so allerhand los. So gibt es hier jetzt auch ein Preussen - Museum, das privat initiiert wurde und betrieben wird. Man kann über Preussen wohl allerhand Gutes sagen, aber letzten Endes hat es eben auch zur Kaiserzeit und damit zum Nationalsozialismus geführt. Die allgemein übliche Korruption hat eben auch jener Staat nicht aufhalten können.

Am Morgen des folgenden 11.August lasse ich es wieder ruhig angehen, überlege, ob ich schnurstracks nach Oranienburg paddeln soll oder ob es noch andere Optionen gibt: mein Jübermann - Tourenatlas beschreibt die gesamte folgende Gegend als ziemlich einsam und sumpfig, gute Voraussetzungen, eine interessante Tier - und Pflanzenwelt vorzufinden. So entscheide ich mich, eine Rundtour über Wustrauer Rhin, Fehrbelliner Rhin, Altem Rhin und Bützrhin/Bützsee zu unternehmen, eine Fahrt, die mit ca. 30 km etwa einen Tag dauern mag. Also frage ich bei Frau Jachting, die den Campingplatz in Wustrau betreibt, nach weiteren Übernachtungsmöglichkeiten auf der Strecke. Ich erfahre von der Existenz der Kanustation Frank Kuchenbecker nahe der Schleuse Altfriesack, das am Endpunkt meiner Rundreise liegt und ein Ortsteil von Wustrau ist.

Auf meinem Wasserwanderatlas sehe ich, daß ich unterhalb der Mühle Wustrau in den Wustrauer Rhin einsetzen muß. Bis dahin sind es vom Zeltplatz 600 m zu Fuß. Also packe ich alles aufs Kanu, nachdem ich den Bootswagen wieder montiert habe, und schiebe das ganze bis zur Einsetzstelle Wustrauer Mühle. Dort befindet sich ein ungeeigneter Anleger, der fast einen ganzen Meter aus dem Wasser ragt. Daneben liegen Granithaufen, und von da aus muß ich wohl oder übel mein Einsetzmanöver angehen. Eine Fuhre Sand einfach vom LKW ins Wasser gekippt wäre eine einfache Lösung gewesen, aber den örtlichen Kanuvermietern ist das Schicksal ihrer Bootshäute wohl egal.

Rhinkanal nach Fehrbellin

Rhinkanal nach Fehrbellin

Ich habe Geduld, bin vorsichtig und komme zurecht. So sitze ich bald in meinen Kajak und lasse Wustrau hinter mir. Tatsächlich bin ich kurze Zeit später in wilder Natur, der Wustrauer Rhin ist zwar eigentlich ein künstlich angelegter Graben, aber der ist dermaßen eingewachsen, dass man das nicht mehr erkennt. Eine dicke Eiche liegt quer über dem Gewässer, es gelingt mir jedoch glücklicherweise, eine Stelle zu finden, wo ich über einen Ast rutschen kann. Die Ufer hätten ein Umtragen an dieser Stelle kaum zugelassen, das hätte dann schon gegebenenfalls direkt am Baum geschehen müssen. Bei der schwachen Strömung geht so etwas schon, bei richtiger Strömung hat man so wenig Chancen.

im Wustrauer Rhin

im Wustrauer Rhin

An vielen Stellen sehe ich Biberfraßspuren, ich freue mich auf ein baldiges Sichten dieser knuddeligen Tiere. Nach knapp 2 Stunden biege ich links in den Fehrbelliner Kanal ein, ohne eine Ortschaft passiert zu haben. Der ist schon etwas breiter als der Wustrauer Rhin, hat ebenfalls sehr natürliche Ufer und keine Strömung. Auch diese 6 km gibt es keine menschlichen Siedlungen, erst als ich bei der Schleuse Hakenberg eintreffe, sehe ich wieder Häuser.

Brücke vor Hakenberg

Brücke vor Hakenberg

Die Schleuse wird wohl selten benutzt, es schwimmen Blätter im Schleusenbecken. Eine sehr freundliche Schleusenwärterin lässt mich herunter, bald kann ich weiter in die Richtung paddeln, aus der ich gekommen bin. Wieder ist die Gegend sehr sumpfig, teilweise liegt das Gelände tiefer als der Kanal ("Alter Rhin"), so dass rechts und links Dämme das Wasser halten.

unterhalb Schleuse Hakenberg

unterhalb Schleuse Hakenberg

Ich finde es erstaunlich, dass die Menschen das vor über 100 Jahren mit ihren geringen technischen Mitteln hinbekommen haben. Hier ganz in der Nähe hat übrigens Friedrich Wilhelm, der "Große Kurfürst" mit seinem kleinen Heer eine Übermacht schwedischer Truppen in die Flucht geschlagen, es war die legendäre "Schlacht bei Fehrbellin", die am Rande der Sümpfe von Hakenberg stattgefunden hat. (18.Juni 1675)

Pause am Rhinkanal

Pause am Rhinkanal

An einer Pfahlreihe lege ich zwischendurch mal an, eine schöne, weit ausladende Esche steht mitten auf dem Deich. Von dort habe ich einen weiten Blick über den oder das  "Luch", wie man hier die Feuchtgebiete zu nennen pflegt. Ein Greifvogel zieht in der Nähe seine Kreise, im Fernglas erkenne ich, dass es ein Fischadler ist. Ein paar Krähen sind auch in seiner Nähe. 2 Rehe grasen auf ungemähten Grasflächen. Es ist still, und durch das warm - feuchte Sommerwetter türmen sich Quellwolken auf, es könnte abends noch Gewitter geben. Das beunruhigt mich aber nicht weiter.

junger Biber

junger Biber

Bald sitze ich wieder in meinem Boot, ein paar km weiter sehe ich etwas bräunliches am Ufer sich bewegen, und ich bin schon ganz aufgeregt: sollte das ein Biber sein, am hellichten Tag? Als ich näher komme, schaut mich tatsächlich ein junger Biber an, gleitet dann völlig unaufgeregt und sehr langsam ins Wasser, nachdem ich ihn fotografiert habe. Am Schwanz und an den Barthaaren kann ich ihn deutlich von Nutrias unterscheiden, die es hier ebenfalls geben soll. Voller Freude setze ich meine Fahrt fort, und kurz darauf sehe ich rechts einen kleinen Kanal abzweigen.

Kanal zum Teichland Linum

Kanal zum Teichland Linum

Ein Blick auf meinen Tourenatlas sagt mir, es handelt sich um die Zufahrt zur Teichlandschaft Linum. Diese ist eine ehemalige Torfabbaustelle, deren Wasserflächen zur Fischzucht genutzt werden. Sie sind aber auch ein Vogelschutz - und Beobachtungsgebiet von internationaler Bedeutung. Im Ort Linum gibt es eine große Nabu - Station. Im Frühjahr und Herbst finden sich viele Tausend Kraniche in Linum ein. Auch für ihre Vielzahl von Störchen ist dieser Ort bekannt. Ich sehe einen Seeadler über den Teichen jagen, er ist wohl hinter einem Blässhuhn her.

Pumpstation bei Linumhorst

Pumpstation bei Linumhorst

Auf dem folgenden Abschnitt des Alten Rhin wachsen rechts und links viele Erlen, Saal- und Ohrweiden, sie sind auffällig üppig behangen mit riesigen Hopfenranken. "Hängende Gärten" fällt mir dazu ein...Menschliche Siedlungen gibt es jedoch auf langer Strecke keine.

Brücke Linumhorst

Brücke Linumhorst

Ein Brücke überquert den Alten Rhin, es ist die sog. "Straße" von der sehr kleinen Siedlung Ziethenhorst nach Linumhorst. Eine knappe Stunde später bin ich an der Stelle angekommen, wo die drei Gewässer Alter Rhin, Bützrhin und Kremmener Rhin zusammentreffen. Hier steht tatsächlich mal ein Haus, ich wundere mich. Ich will links abbiegen, denn mein Ziel ist Altfriesack.

Ich paddle also links in den Bützrhin hinein, der hier ein etwa 25 m breiter, durchaus kurviger Kanal mit natürlichen Ufern ist. Bald kommt die Brücke von Wall in Sicht, dort könnte man sein Kanu auch einsetzen und das Auto parken. Die Umgebung besteht aus Supfgelände, an vielen Stellen erkenne ich Biberfraß. Ein Angler liegt in seinem Schlauchboot, gut getarnt. Wir begrüßen uns freundlich, wechseln ein paar Worte miteinander. In vollkommen stiller Umgebung paddelnd erreiche ich nach knapp 4 km den Bützsee, hier treffe ich sogar ein Motorboot an. Es fährt langsam.

Der Bützsee

Der Bützsee

Viele Kormorane leben am Bützsee, sitzen gerne auf den Dalben, die als Fahrrinnenmarkierung in den See gerammt sind: der See ist ansonsten sehr flach. Links liegt eine größere Insel, ich betrete sie nicht, um die Tiere nicht zu stören. Nach ruhigen 3 km auf dem See bin ich in Altfriesack angekommen. Links vor der Schleuse finde ich den Anleger der Kanustation Altfriesack, da er blockiert ist, lege ich am Ufer an. Schnell die Ausrüstung aus dem Boot und alles auf den Platz getragen, ich habe heute genug gesessen. Außerdem habe ich Hunger und möchte wissen, wo und wie ich schlafe.

Dieser private Wasserwanderrastplatz Altfriesack sieht ein wenig pflegebedürftig aus, und da niemand anwesend ist, rufe ich eine Mobilnummer an, die ich auf einem Schild finde. Mir wird angeboten, anstatt hier unten am Fluss ohne Sanitär nur mit ToiToi zu übernachten, oben am Wohnhaus des Betreibers zu zelten. Dort gibt es Duschen, WC und eine Küche etc. Für einen geringen Aufpreis nehme ich das Angebot dankend an, lade mein Boot auf den Bootswagen und schiebe alles die 250 m ins Dorf hinauf. Dort angekommen, mache ich mich bekannt und baue mein Zelt auf. Es sind noch weitere Gäste anwesend, die hauptsächlich in den Holzhäusern wohnen. Ansonsten gibt es noch die Kamerunschafe, die überall Zutritt haben.

beim "Wasserwanderrastplatz" Altfriesack

beim "Wasserwanderrastplatz" Altfriesack

Auf die Frage der Anwesenden, wo ich denn heute gestartet sei, antworte ich:" in Wustrau" und ernte heiteren Spott ob der doch eher sehr kurzen Strecke von 2 km. Daraufhin mache ich ein eindeutiges Zeichen in die Luft, dass ich "einmal herum" gefahren bin, und da verstehen sie, dass ich den Wustrauer Rhin etc. und die gesamte Rundtour gepaddelt bin, die ja immerhin 27 km lang ist.

Ich koche mir mein warmes Essen und richte mein Lager. Der Kreis der gegenwärtigen Besucher wird diesen Abend ein Lagerfeuer veranstalten, ich bin auch dazu eingeladen. Bald ist es dunkel, und fernab der größeren Städte ist ein sehr klarer Sternenhimmel zu sehen. Wir genießen das Lagerfeuer und ich höre mir die diversen Geschichten der anderen Besucher an. Die sind zwar nicht mit eigenen Booten da, haben jedoch mit Frank Kuchenbecker geführte Touren erlebt. Da gibt es immer etwas zu erzählen.