Kanu & Natur

ein persönliches Blog von Jürgen Clausen

Zehdenick und die Schorfheide

Geschrieben am 18.08.2006 in Kanureisen (2006) —   Havel, Rhin (Geändert am 05.07.2017)

Teil 14 von 16 in der Serie Müritz - Rhin - Havel - Rundtour 2006

An einem Schilfufer liegt ein Angelboot, ich komme mit dem Angler ins Gespräch. Er sei schon fast 80 Jahre alt, seine gesamte Familie habe früher vom Transport der Ziegel aus dieser Region nach Berlin und Hamburg gelebt. In den 50er und 60er Jahren sei er selbst noch Schüttgut auf Flussschiffen gefahren, dann mußten seine Eltern wie viele andere auch das Schiff verkaufen, die meisten Waren wurden mit LKW und Bahn transportiert. Das war auch der Niedergang von Zehdenick, so der alte Mann. Seine Mutter lebte noch, sie sei jetzt 101 Jahre alt und lebe allein.

Kanustation und Pension Wallapoint in Mildenberg, Welsengraben

Kanustation und Pension Wallapoint in Mildenberg, Welsengraben

Mein nächster Stop ist am kleinen Hafen der Kanustation Wallapoint am Welsengraben auf halbem Weg zwischen Zehdenick und Mildenberg. Hier gibt es eine Pension, einen Imbiß, eine Kanuvermietung und von Frühjahr 2007 an einen Wasserwanderrastplatz. Ich trinke einen Kaffee, schaue mich ein wenig um und paddle weiter. Eigentlich möchte ich in Mildenberg in der Marina übernachten und schaue mir das Gelände auch gründlich an, nachdem ich angelegt habe. Ein Blick auf die Preislisten zusammen mit den unfreundlichen Hafenleuten bringt mich dann jedoch dazu, weiter zu fahren und mir etwas anderes zu suchen. Das riesige Ziegeleimuseum dort werde ich mir sicher eines anderen Tages anschauen.

Anlegen beim WWR der Marina Mildenberg

Anlegen beim WWR der Marina Mildenberg

Ich paddle weiter und komme durch das Örtchen Burgwall, wo es einen Wasserwanderrastplatz und eine Gaststätte gibt. Dahinter zweigt links der Kanal ab, der über die Schleuse Marienthal den Großen Wentowsee für den Bootsverkehr zugänglich macht. Ich überlege noch, den "Campingplatz am Großen Wentower See " zu besuchen, die Schleuse ist allerdings schon geschlossen. So zieht es mich weiter. Nach 1,5 km kommen von links aus dem Schilf ein paar Paddler, ich weiß, dass dort das kleine Fließ in die Havel mündet, das am Örtchen Tornow vorbei zum Großen Wentowsee führt. Ich denke, wenn die da herauskommen, kann ich auch hineinfahren. So erlebe ich eine wahre Wunderwelt, indem ich für einen guten Kilometer einen schmalen, sehr zugewachsenen Wasserlauf nutze, mit einer großen Schwanenfamilie im Weg, sehr vielen Seerosen und sonstigen Wasserpflanzen.

kleines Fließ zum Wentowsee beim Schloß Tornow

kleines Fließ zum Wentowsee beim Schloß Tornow

Ich paddle hier sehr langsam immer im Zickzack durch das Dickicht, keine Ahnung, wohin es mich verschlägt. Dann erkenne ich in einiger Entfernung ein imposantes Gebäude, das wie eine Burg oder ein Schloss aussieht. Ein paar hundert Meter weiter komme ich an einen Steg, der zu einem sehr schmalen Weg führt. Einige Kanus liegen auf einem Regal, ich beschließe, hier nach einer Übernachtungsmöglichkeit zu fragen. So lasse ich mein Kanu am Steg liegen und wandere langsam zum Gebäude hinüber.

immer weiter durch enges Dickicht zum Schloß Tornow

immer weiter durch enges Dickicht zum Schloß Tornow

Es entpuppt sich als ein Sandsteinbau mit Säulen und großen Rundbögen. Drumherum sind einige Gärten, in denen einige Holz - Lehmgebäude mit Gründächern stehen. An einem kalten Lagerfeuerplatz vor dem alten Schloss sitzt ein weibliches Wesen, das ein wenig merkwürdig gekleidet ist und liest. Sie lässt mich an Rollenspiele denken, ihre Fantasy - Kleidung deutet darauf hin. Ich befrage dieses nicht mehr so ganz junge Mädchen nach Übernachtungsmöglichkeit, und sie führt mich ins Gebäude, wo der Rest der Gruppe in der Küche versammelt ist.

Die "Anführerin" meint, der Betreiber dieses Tagungshauses (aha!) wäre zur Zeit nicht anwesend, aber sie könne ihn ja mobil anrufen und um Auskunft bitten. Für Zelten mit Benutzung von Bad und Küche soll ich 10,- EUR zahlen, ein Zimmer kostet 25,- EUR. Ich entscheide mich für das Zelten und hole meine Sachen. Gegen 19:00 Uhr habe ich mein Zelt fertig aufgebaut und gehe duschen. Die Gruppe möchte ein Lagerfeuer veranstalten, es ist jedoch kein Holz vorrätig. Wir ziehen mit Schubkarre in Richtung Wald.

Schon unterwegs finden wir genug trockene Äste und kommen mit übervollem Gefährt zurück. Gerade, als wir dabei sind, voller Feierlichkeit das Feuer zu entfachen, beginnt es leicht zu regnen. Zum Glück ist es windstill. Diese Gruppe scheint regelmäßig mit Alkohol zu feiern, Cola und Whisky werden in größeren Mengen vertilgt. Das ist nicht so ganz mein Fall, und ich lausche nur den sehr lockeren, nicht immer logischen, vernünftigen Wortschwällen und halte das Feuer bei Laune.

hübsche Säulen aus Sandstein und Ziegel im Schloß Tornow

hübsche Säulen aus Sandstein und Ziegel im Schloß Tornow

Zu essen gibt es auch, gegen eine Spende in die Gemeinschaftskasse darf ich mich an den Resten von deren Mittagsbraten und diversen Salaten laben. Auf diese Weise geht der Abend lustig zu Ende, und zufrieden kann ich mich zu doch etwas späterer Stunde hinlegen. Sofort schlafe ich ein und sehr gut durch bis zum frühen Morgen.

Um 6:45 Uhr werde ich wach, mein Funkwecker teil mir mit, dass wir heute den 17. August haben. Ich erledige meine Morgentoilette und koche mir Frühstücksbrei. Der Leiter dieser Tagungsstätte möchte gerne noch ein paar Sachen von mir wissen, wir tauschen uns aus. Nach diesem Gespräch packe ich wieder einmal alles ein und trage es die etwa 150 Meter zum Gewässer, das Kanu auch. 

Anmerkung: Das Tornowfließ befindet sich inzwischen innerhalb des "Naturschutzgebiet Kleine Schorfheide" und darf nicht mehr befahren werden

Schloss Tornow

Schloss Tornow

Es ist mittlerweile 9:25 Uhr, als ich mein Kanu durch das grüne Dickicht zurück zur Havel lenke. Landschaftlich ist dieser Abschnitt wieder mal ein totaler Genuss: sumpfige Ufer, dahinter Kiefernwald auf sandigem Boden, über dazu der passende Duft - Mix aus beiden. Wer genau hinschaut, kann an vielen Stellen Bibernagespuren entdecken, hin und wieder fliegt ein Eisvogel dicht über dem Wasser oder er sitzt auf einem Ast und wartet auf Beute. Menschliche Ansiedlungen gibt es hier in der Schorfheide wenige und sie sind kilometerweit entfernt.

Ohne den gelegentlichen Stress mit den Motorbooten wäre es hier geradezu paradiesisch. Außerhalb der Hochsaison muß es sicher viel ruhiger sein, versuche ich mich zu trösten. Eine Stunde später bin ich an der Abzweigung angekommen, die in die Templiner Gewässer führt. Ich will sie ein wenig erkunden, biege also rechts hinein und genieße die hier herrschende Ruhe der Natur. Ich treffe ein paar Paddler, und ein Mann schwimmt zusammen mit seinem Dackel ein Stück in dem Wasser.

Abzweigung zu den Templiner Gewässern

Abzweigung zu den Templiner Gewässern

Ich paddle nur die 2 km bis kurz vor dem Kuhwallsee, und es ist wirklich Wildnis hier, sumpfige Ufer und Wald. Zwischen den Wasserpflanzen sitzen oder schwimmen viele Stockenten, Blässhühner und ein paar Teichhühner. An manchen Stellen stehen Graureiher, ich entdecke ein paar halbwüchsige Haubentaucher, sie sehen noch etwas gestreift aus und lassen ihre typischen Bettelrufe ertönen. Die Eltern sind wohl ebenfalls in der Nähe. Ich bin sehr neugierig auf den Rest der Templiner Gewässer, eines Tages werde ich sie wieder besuchen und dann komplett erkunden.

Die Temperaturen sind angenehm, aber es ist bedeckt und sieht etwas nach Regen aus. Ich genieße meine Fahrt und überlege mir, wie weit ich denn heute paddeln möchte: der nächste "richtige" Wasserwanderrastplatz wäre in Bredereiche, etwa 21 km, wenn ich keine Umwege fahre. Das sagt mir zu, aber ein wenig will ich schon in die Templiner Gewässer hineinschauen. Bis zur Abzweigung dorthin sind es etwa 6 km, und die Landschaft ist sehr schön, die Havel sehr natürlich. Wenn hier weniger Motorbootsverkehr wäre, könnte es richtig idyllisch sein. So muß ich mich eben damit arrangieren, aber schön ist das nicht. Die Unruhe, die davon ausgeht, schmälert doch deutlich die Freude.

Vor dem Großen Kuhwallsee

Vor dem Großen Kuhwallsee

Kurz bevor ich den Kuhwallsee erreiche, drehe ich mein Kanu um und paddle zurück zur Havel. Dort bin ich nach wenigen Metern an der Schleuse Schorfheide angekommen. Diese ist eine Selbstbedienungsschleuse wie die meisten, die Schleusung dauert nicht lange, aber sie ist schon relativ voll. Probleme gibt es nicht, nur beim Herausfahren stört das zu flotte Fahren der Freizeitkapitäne schon sehr, zumal wenn sie so dicht aufeinander fahren. Wenn die Abstände zwischen denn Motorbooten groß genug sind, kann man sich ja in die Wellen hineindrehen, aber wenn sie so dicht aufeinander fahren, ist das nicht möglich.

Auch die nächsten 3 km bin ich noch in der Schorfheide, paddle mitten durch Wald und Flächen mit Sandern hindurch. Nur Sumpf gibt es hier kaum noch. Gegen 13:00 Uhr komme ich in der Schleuse Zaaren an, schleuse mich und ein paar Motorboote durch. An der Landschaft ändert sich auch in diesem Teil der Schorfheide nichts, allerdings kann ich meinem Tourenatlas entnehmen, dass bis zur Schleuse Regow das gesamte Gelände hinter dem rechten Ufer einmal Militärgelände war ( wohl russisches...) und mit Munition verseucht ist.

Die Umgebung ist sehr dicht bewaldet, aber auch sehr dünn besiedelt. Man paddelt hier stundenlang durch dichten Kiefernwald, ohne an einer Ortschaft vorbei zu kommen. Wer sich das ganze auf einem Satellitenbild anschaut, erkennt noch heute das riesige Militärgelände, das die kleine Seenkette der Kramsbeek und des Großen Beutelsees mit einschließt. Die Havel ist hier etwas begradigt und mäandert mal nicht ganz so stark.