Kanu & Natur

ein persönliches Blog von Jürgen Clausen

Schorfheide bis Fürstenberg

Geschrieben am 19.08.2006 in Kanureisen (2006) —   Havel, Rhin (Geändert am 05.07.2017)

Teil 15 von 16 in der Serie Müritz - Rhin - Havel - Rundtour 2006

Kurz vor der Schleuse Regow sehe ich rechts an einem Altarm Menschen, eine junge Familie mit einem Kanu, die hier Pause macht. Auch ich lege hier an, und die kleinen Kinder quetschen mich sofort aus: woher ich komme, ob ich denn keine Angst habe, allein zu paddeln etc. Wir sind an einem Biwakplatz, es gibt hier nur ein ehemaliges Trockenklo, sonst nur Wiese mit sehr schöner Umgebung. Es riecht nach Ziege, und ich weiß, dass in der Nähe ein Ziegenhof liegt. Er ist bekannt für seinen Ziegenkäse.

Nach einer Weile zieht die Familie ab, es kommen andere Paddler: Zwei junge Frauen und ein junger Mann in einem Kanu suchen eine preiswerte Bleibe für die Nacht, sie legen an und bauen ihr Zelt auf. Es ist sehr klein, der Mann ist zu beneiden. Ich esse eine Kleinigkeit und plaudere ein wenig mit den Leuten, bis ich mich entschließe, weiter zu paddeln. Bis Bredereiche sind es noch 5,5 km, und der Abend ist noch jung.

Wasserwanderrastplatz in Bredereiche am Dorfplatz

Wasserwanderrastplatz in Bredereiche am Dorfplatz

Bis Bredereiche kann ich wieder durch ganz einsame Landschaft paddeln, und wenn die Motorboote nicht wären, wäre man hier allein mit der Natur. Andere Paddler treffe ich nicht, aber nach einer Stunde bin ich schon in Bredereiche eingetroffen. Gleich hinter dem Hafen ist rechts der Dorfplatz, hier an der Badestelle ist der offizielle Wasserwanderrastplatz für Kanufahrer. Ein WC steht am Ende des Dorfplatzes. Um etwas nach 17:00 Uhr steht mein Zelt.

Während ich noch ein wenig herumschaue, kommt eine nicht mehr ganz junge Frau von der Gemeinde vorbei, kassiert einen geringen Betrag für das Zelten und lässt mir einen Schlüssel für das WC da. Ich benötige noch Mineralwasser, und so frage ich nach einem Landmarkt. Sie beschreibt mir freundlich den Weg und ich mache mich auf die Sandalen. Es sind nur 10 min zu gehen, ich finde den Laden sofort. Auf der Rücktour stelle ich fest, dass ich meinen Schlüssel nicht mehr habe. Um sicher zu gehen, ihn nicht im Laden verloren zu haben, gehe ich noch einmal zurück und suche ihn dort. Er ist dort jedoch nicht aufzufinden, und ich suche die ganze Straße ab, die ich auf der Hintour gegangen bin. Letzten Endes finde ich ihn kurz vor meinem Zelt neben der Bank, er muss mir aus der Tasche gerutscht sein. Wie konnte mir das nur passieren...?

Wieder beim Zelt, koche ich mir etwas Bulgur mit Paprikagemüse in Sahnesoße und esse es langsam. Dabei schaue ich mir die anderen Gäste im Hafen an, die in der Nähe ihre Motorboote festgemacht haben. Es ist nicht viel los. Nach dem Abwaschen gehe ich noch ein wenig an der Havel spazieren, komme an einem übel riechenden, riesigen Komposthaufen vorbei. Da sollte die Gemeinde doch mal schauen, ob es nicht eine andere Lokalität gibt, fern von den Touristen. Das Highlight dieses Dorfes scheint das Restaurant "Bootshaus" zu sein, wo eine illustre Gesellschaft von Reitern und Motorbootfahrern im Biergarten sitzt und speist. Dieses "Bootshaus Bandelow" ist auch für den Betrieb des Hafens zuständig, nicht nur für Pferde.

Zurück beim Zelt, sehe ich mit eindeutigen Gefühlen eine kleine Gruppe von Jugendlichen, die den Dorfplatz zum Bolzen nutzt: immerhin haben sie keine Disco dabei, das lässt hoffen. Tatsächlich werden sie ihres Spieles müde, als auch ich mich in meinem Schlafsack verkriechen möchte. So habe ich eine sehr ruhige Nacht mitten in Bredereiche.

Frühstück im Regen in Bredereiche

Frühstück im Regen in Bredereiche: Da es regnete, genoß ich mein Frühstück eben im Vorbau meines Zeltes.

Morgens gegen 6:00 Uhr werde ich wach. Nachdem ich mich erst einmal erfrischt habe, koche ich mir einen Carokaffee und dann sofort danach einen Haferbrei, den ich mit einem kostbaren frischen Salat aus Apfel, Pfirsich, Banane, Heidelbeeren und Johannisbeeren verspeise. Das geschieht im Zelt, da es zu regnen beginnt. Damit ist der Tag gut vorbereitet. Abwaschen, Zelt abbauen und alles einpacken. Zuletzt gebe ich noch den Schlüssel beim Bootshaus ab. Gegen 10:00 Uhr sitze ich in meinem Kajak und paddle weiter.

Campingplatz Havelblick D37

Campingplatz Havelblick D37

Heute, am 18.August ist ein ganz besonderer Tag: ich will mich abends mit Gundula treffen, nach immerhin 10 Tagen Trennung. Wir haben uns beim C53 am Ellbogensee verabredet, also habe ich noch etwa 23 km zu paddeln. Ich will diese Strecke ebenso genießen wie die vorherige, und ich will früh genug mit meinem Kanu dort sein, wenn Gundula am C53 auftaucht. Aber der Tag ist ja noch lang, es hetzt mich nicht. Die restliche Strecke dieses Havel-Abschnittes ist bald durchfahren, von Bredereiche bis an den Stolpsee sind es nur noch gut 6 km. Immer noch habe ich waldige Ufer, und die Havel ist ein schöner Fluss. Etwa 1 km vor dem Stolpsee liegt links der D37, der Campingplatz Havelblick in der Gemeinde Zootzen. Man zeltet hier im schönstem Wald und direkt an der Havel. Hier sehe ich tatsächlich ein paar Canadier, deren Besitzer offensichtlich gerade am Packen sind. Dann kommt auch bald der See in Sicht.

Unterhalb des Stolpsees

Unterhalb des Stolpsees

Vor dem Stolpsee liegt eine kleinere Bucht, dort ist es noch ruhig. Ich sehe allerdings schon einige Paddler diesseits der kleinen Insel in den Windschatten gehen, die eine Pause nötig haben. Offensichtlich haben sie den See gerade hinter sich, wo ich schon die Wellen sehen und das Wasser rauschen hören kann. Froher Dinge paddle ich auf den See, der Wind kommt 90° von der NO-Seite, ungeschützt paddle ich die 3 km den See entlang. Eigentlich wollte ich noch eine der schönen Pausenstellen am Südufer aufsuchen, aber da es auch nach Regen aussieht, gebe ich Gas und sehe zu, dass ich den See schaffe. Es bringt tierischen Spaß, das Wasser spritzt nur so über den Bug. Ein paar Motorboote sorgen noch für zusätzliche Wellen, das gibt eine ganz besondere Qualität. Es bilden sich Schaumkronen, und in der Ferne grummelt ein Gewitter. Da ich nicht weit vom Ufer entfernt bin, kratzt mich das nicht wirklich. Einige andere Paddler sind ebenfalls in der Mitte des relativ schmalen Sees mit Kajaks unterwegs, ich fahre denen einfach davon, weil ich es genieße, meine Kraft auch mal einsetzen zu können. Zu sehen gibt es eh nicht allzu viel, da möchte ich die Paddelfahrt auf andere Weise genießen.

Es dauert eine gute halbe Stunde, dann bin ich am Ausgang des Stolper Sees und wieder in der Havel, wenn auch nur für kurze Zeit. Hätte es meine Zeit erlaubt, wäre ich noch in die Gewässer bei Himmelpfort hinein gepaddelt, vielleicht in den Woblitz, aber das mache ich ein anderes Mal. So ist es immer: man kann nicht in jedes Nebengewässer einbiegen, wenn es auch noch so schön zu sein verspricht. Sonst ist man den gesamten Sommer unterwegs, wer kann sich das schon leisten...aber möglich wäre es hier schon, und wenn man nicht noch ein anderes Leben zu erfüllen hätte, könnte es sogar billiger sein als in einer Wohnung zu wohnen. Doch davon kann man allenfalls träumen.

Bis Fürstenberg bin ich doch tatsächlich noch eine halbe Stunde lang in der "richtigen" Havel, die sich hier immer noch leicht durch die pralle Natur windet. Warum man sie "Siggelhavel" nennt, hat sich mir nicht erschlossen, aber hier gibt es ein einzigartiges technisches Denkmal: eine Eisenbahn-Fähre, d.h. einzelne Güter-Waggons konnten hier während des Krieges zu der nahen Faserstoff-Fabrik übergesetzt werden. Eine Brücke wollte man nicht bauen, da diese wohl bald wieder von den Alliierten zerstört worden wäre. In der Fabrik arbeiteten überwiegend Frauen aus dem nahen Konzentrationslager Ravensbrück, das sich am Ostende des Schwedtsees befindet. Dieses werde ich mir nicht anschauen, ich finde meine gedanklichen Wahrnehmungen zu dem ganzen Thema schon gruselig genug, als ich hier vorbei paddle.

hübscher Kasten am Stadtkanal in Fürstenberg

hübscher Kasten am Stadtkanal in Fürstenberg

So paddle ich in den Schwedtsee nur kurz hinein, um den Hafen zu begrüßen und um eine kleine Stadtkanalfahrt zu unternehmen. Ein kleines Fließ zweigt vom See vor dem Hafen ab, man kann aber wirklich nicht weit hinein paddeln. Wieder zurück, nehme ich Kurs auf den kleinen Baalensee linkerhand, eine neue bombastische Brücke überspannt die Havel hier. Nach einem halben Kilometer geht es ziemlich genau westlich wieder aus dem Baalensee hinaus, eine Schleuse ("Schleuse Fürstenberg", wer hätte das gedacht) hebt uns einige Zentimeter an. Ein paar übergroße Yachten liegen neben mir in der Schleuse, die Leute sind nett. Es sind Süddeutsche.